Das Elslein von Caub
Ich habe hier meine kurzsichtige Tante Anisplätzchen Wilbert zwei Tage zu Besuch gehabt.
Am ersten Tag ging ich mit ihr zum Blücherdenkmal. Kopfschüttelnd blieb sie eine Weile schweigend davor stehen. Dann sagte sie, sie finde die Auffassung des Bildhauers immerhin merkwürdig. Aus dem Kostüm werde sie vor allem nicht so recht klug. Der Kopf gehe ja, die Züge seien von einem außergewöhnlichen Liebreiz.
Ich guckte sie groß an. So konfus hatte man den famosen Marschall Vorwärts noch nicht kritisiert.
„Das ist doch ein sehr verständliches Monument,“ warf ich ein.
„So, findest du? Ich kann mir nicht helfen,“ beharrte Tante Wilbert, „ich habe mir das Elslein von Caub anders vorgestellt.“
„Das ist doch das Blücherdenkmal,“ belehrte ich sie.
„Ach so, warum hast du das nicht gleich gesagt?“
Fast jedes Nest am Rhein hat seine Reminiszenz an einen deutschen Dichter. Meistens nehmen Gasthäuser für sich die Ehre in Anspruch, daß gerade ihr Wein oder ihre Wirtin einstens die Anregung zu dem oder jenem bekannten Gedicht gegeben habe.
Häufig wetteifern mehrere Prätendenten um dieselbe Ehre.
In Königswinter gibt es eine Wirtschaft „Zum kühlen Grunde“ und eine andere „Zum wirklichen kühlen Grunde“. Wie ich höre, soll noch ein dritter Wirt den kühlen Grund für sich in Anspruch nehmen und sein Lokal „Zum
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/025&oldid=- (Version vom 1.8.2018)