So endete die hiesige große Haupt- und Staatsaktion im Jahre 1881 gegen uns mit einer großen Blamage der Staatsretter. Unsere fünf Wochen Untersuchungshaft hatten wir dank dem Schandgesetz allerdings weg, doch mürbe hat uns die Haft nicht gemacht, höchstens verbissener.
Auch bei dieser Gelegenheit zeigte sich wieder die Opferwilligkeit unserer Genossen im schönsten Lichte, sie sorgten reichlich für uns und unsere Familien. An Kegelmaier, der mir auf dem Wege zu meinem Geschäft fast täglich begegnete und den ich früher immer grüßte, ging ich von der Zeit ab vorbei ohne zu grüßen.
Etwa ein halbes Jahr später erschien im „Sozialdemokrat“ ein gesalzener und gepfefferter Artikel über den deutschen Richterstand. Der Artikel wurde rot angestrichen und die betreffende Nummer unter der Adresse „Seiner Hochwohlgeboren Herrn Premierleutnant Kegelmaier zur Zeit Staatsanwalt beim Landgericht Heilbronn“, dem Bissigen zugesandt. Die Adresse wurde von einem Bekannten geschrieben, der Brief selbst in Ludwigsburg zur Post gegeben.
Den richtigen Empfang quittierte Kegelmaier damit, daß er die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Verbreitung des letzten Flugblatts gegen mich beantragte, da sich neue Verdachtsmomente ergeben hätten. Sein Antrag wurde jedoch abgelehnt. Bei der nächsten Begegnung lachte ich ihn höhnisch aus. Rache ist süß.
Im selben Jahr noch hatten wir Reichstagswahl, die wir als einfache Arbeiterpartei mitmachten, wobei wir wieder unsern Genossen Bebel als Zählkandidaten aufstellten.
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)