Gemeinheit, diesem Hohn dem wehrlosen Untersuchungsgefangenen gegenüber. Und von dieser Stunde an war ich der Feind dieses Menschen. Ich beherrschte mich jedoch und sagte gemessen: „Herr Untersuchungsrichter, ich bin gewöhnt mich kurz zu fassen, ein Bogen genügt mir.“
Trotz meiner Empörung brachte ich es über mich, noch die Bitte an den Bissigen zu richten, mir zu gestatten, daß ich vor meinem Transport nach Weinsberg mein jüngstes Büblein, von dem ich wußte, daß es stark kränkelte, sehen zu dürfen. Der Unmensch lehnte diese Bitte mit einem kurzen „Nein“ schroff ab.
Der Cerberus stellte mir, in meine Zelle zurückgebracht, das Gewünschte zu und ich schrieb die Beschwerde sofort nieder. Ein Bogen genügte mir vollauf hiezu.
Am andern Tag mittags 2 Uhr wurde ich aus meiner Zelle geholt und mit meinem Bücherpaket unter dem Arm im Gang aufgestellt unter einer sehr gemischten Gesellschaft.
Da war ein wegen Wucher angeklagter reicher Wirt von Besigheim, verschiedene in den Fruchthandel verwickelte Sackträger, einige wegen Kuppelei Angeklagte, im ganzen etwa fünfzehn mehr oder minder schwere Verbrecher, darunter aber kein einziger Parteigenosse. Für sie, die auswärtigen Unbekannten, hatte Kegelmaier Platz im hiesigen Gefängnis, für mich den Hiesigen, den Bekannten, nicht. Es lag klar auf der Hand, daß es nur ein kindischer Racheakt war, der ihn bestimmte, mich nach Weinsberg transportieren zu lassen.
Wir wurden in Reih und Glied aufgestellt. Die Landjägermannschaft, ich glaube des ganzen
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)