Er hatte sich scheints die Sache überlegt, vielleicht auch meine lauten Drohungen gehört und nahm als Vorwand für sein ungewohntes Erscheinen die Mitteilung, daß von der Tischlerkasse für mich 2 Mark zu Bier abgegeben worden seien. Derartige Mitteilungen machte er sonst immer bei seiner Morgenvisite. Mein Kommissionär atmete sichtlich erleichtert auf und auch ich beruhigte mich vollends. Am andern Morgen um 8 Uhr wurde ich dann auch pünktlich vorgeführt.
Ein frostiger Willkomm wurde mir zuteil und ich merkte sofort, daß der an der Türe postierte Cerberus mich gehörig eingeseift hatte. „Das Schlußprotokoll wird nun aufgenommen und Sie werden wegen Ueberfüllung des hiesigen Landgerichtsgefängnisses nach Weinsberg transportiert“, schnarrte mich Kegelmaier bissig an. „Schön“, gab ich zur Antwort.
Das Schlußprotokoll war, da ich absolut keine Angaben mehr zu machen hatte, rasch aufgenommen. Nun fragte der Bissige: „Beschwerde wollen Sie auch führen, über was denn?“ „Nun über meine Inhaftnahme sowohl, als über meine Inhaftbehaltung“. „Das können Sie! Das weiß ich!“ „Ich will aber meine Beschwerde selbst abfassen und bitte zu diesem Zweck um Zustellung von Tinte, Feder und Papier“. „Das können Sie haben“. Und zu dem Gerichtsdiener gewandt bemerkte er höhnisch: „Geben Sie dem K. Tinte, Feder und einen Bogen Papier, den kann er vollschreiben und wenn der ihm nicht langt, dann geben Sie ihm noch einen, den kann er auch noch vollschreiben“.
Mir stieg natürlich die Galle ob dieser
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)