Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
|
da nur immer die Ehemänner erkrankten, niemals aber die Frau, Kinder oder andere Mitbewohner. – Die Angeklagte äußerte sich hierauf mit weinender Stimme: Ich kann mir die Gutachten der Sachverständigen nicht erklären. Ich beteuere nochmals, daß ich niemals Arsenik im Hause gehabt habe. „Die Ärzte sind doch nicht der liebe Gott, sondern nur Menschen, die sich irren können.“ – Direktor, Medizinalrat Dr. Stoltenhoff, Kortau: Ich habe die Angeklagte in der Provinzial-Irrenanstalt beobachtet und sie für geistig gesund befunden. – Die Beweisaufnahme war damit erschöpft. – Der Vorsitzende verlas die den Geschworenen vorzulegenden – Schuldfragen. Diese lauteten: Ist die Angeklagte schuldig, ihre Ehemänner Bachur, Kempka, Panneck und Wiescholleck vorsätzlich getötet zu haben, und zwar indem sie die Tötung mit Überlegung ausführte? Bei der Schuldfrage betreffs Panneck wurde die Unterfrage gestellt: Im Falle der Verneinung der Frage zu 3: Ist die Angeklagte des versuchten Mordes schuldig? – Der Dolmetscher übersetzte die Schuldfragen ins Polnische. Die Angeklagte begann darauf laut und heftig zu weinen und beteuerte ihre Unschuld. Es nahm alsdann das Wort zur Schuldfrage Erster Staatsanwalt Nietzki: Meine Herren Geschworenen! Fürchten Sie nicht, daß ich Ihre Phantasie erregen werde. Ich habe auch keineswegs die Absicht, die schaudervollen Taten, die Gegenstand der Beweisaufnahme waren, noch schauerlicher zu schildern. Phantasien gehören nicht in den Gerichtssaal, und schauervolle Bilder gehören auf den Jahrmarkt. Ich will lediglich an Ihren nüchternen Verstand appellieren und die Taten ohne jedes Beiwerk schildern. Sollten Sie mit mir zu der Überzeugung kommen, meine Herren Geschworenen, daß die Angeklagte ihre vier Ehemänner oder auch nur einen durch Beibringung von Gift aus der Welt geschafft hat, dann zweifle ich nicht, daß Sie Ihren Urteilsspruch abgeben werden ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Folgen. Sie können nicht dafür verantwortlich
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/27&oldid=- (Version vom 31.12.2023)