Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8 | |
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gemacht werden. Eine Milderung Ihres Urteilsspruchs kann lediglich Seine Majestät der Kaiser und König bewirken. Als vor länger denn Jahresfrist bei der hiesigen Staatsanwaltschaft die Anzeige einging: In dem Dorfe Röblau lebe eine Frau, die vier Ehemänner getötet habe, da wurde diese Behörde, obwohl sie gewohnt ist, in den Abgrund menschlicher Verworfenheit zu sehen, etwas stutzig. Die Staatsanwaltschaft konnte sich kaum denken, daß es hier im Osten des deutschen Vaterlandes eine Frau geben könne, die solch’ furchtbarer Straftaten fähig wäre. Als sich aber bei der Ausgrabung des Wiescholleck ergab, daß dieser große Quantitäten Arsenik genossen und daher sterben mußte, und als in den Leichenteilen noch zweier anderer Ehemänner der Angeklagten Arsenik gefunden wurde, da war es klar, daß die Angeklagte vor Ihrem Forum, meine Herren Geschworenen, werde erscheinen müssen, um sich wegen Mordes zu verantworten. Die Angeklagte lebte mit 42 Jahren bereits in fünfter Ehe. Das ist jedenfalls etwas ganz Außergewöhnliches. In einem solchen Falle ist nicht anzunehmen, daß die vier ersten Ehemänner eines natürlichen Todes gestorben seien. Man ist geneigt, anzunehmen, daß eine solche Frau mindestens einige Male geschieden ist, oder ein siebzehnjähriges Mädchen hat einen 70jährigen Mann geheiratet, oder eine gesunde, kräftige, junge Frau hat einige schwindsüchtige Männer gehabt. Nichts von alledem war hier der Fall. Die vier ersten Ehemänner der Angeklagten waren sämtlich jung, gesund und kräftig. Der erste Ehemann Bachur war bei der Verheiratung 21, Kempka 27, Panneck 26, Wiescholleck 28 Jahre. Alle vier Ehemänner waren mehrere Jahre jünger als die Angeklagte. Der jetzige fünfte Mann, Przygodda, ist sogar 14 Jahre jünger als die Frau. Wenn man erwähnt, daß die Angeklagte in ihrem Planeten gelesen haben will, es werden ihr sechs Ehemänner sterben, erst mit dem siebenten werde sie ihr Dasein beschließen, da muß man sagen: es lag dringende Gefahr vor, daß auch der
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/28&oldid=- (Version vom 31.12.2023)