Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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und außerdem ein noch so junger und unerfahrener Mensch ist, daß ihm die von ihm behauptete Handlungsweise wohl zuzutrauen ist. Wenn die Oberreichsanwaltschaft sagt: Es ist auffallend, daß Rupsch vor den Leuten nicht geflüchtet ist, so ist zu erwägen, daß Holzhauer die Drohung zu ihm geäußert: „Wenn du etwas verrätst, so wirst du erschossen, wo du dich auch befinden magst.“ Der Terrorismus unter den Anarchisten läßt es wohl erklärlich erscheinen, daß Rupsch die Verbindung mit ihnen nicht ohne weiteres abbrach. Ganz besonders spricht aber für die Wahrheit seiner Behauptung sein Verhalten bei seiner Verhaftung. Er kaufte sich bekanntlich auf dem Bahnhof zu Rüdesheim eine Photographie von dem Niederwalddenkmal für 30 Pf. Kaum war er aber in Elberfeld angelangt, so verlangte er in ganz ungestümer Weise, obwohl er wissen mußte, was ihm bevorsteht, die Photographie. Dies Verlangen ist ein so kindliches, daß man wohl zu der Annahme gelangen kann: seine Behauptungen sind wahr. Daß dieser junge Mann sozialdemokratische Redensarten geführt hat, dürfte wohl nicht ernst aufzufassen sein. Was nun den objektiven Tatbestand anlangt, so spricht doch wesentlich dafür, daß er zum mindesten im letzten Augenblick die Explosion vereitelt hat, denn fest steht, daß die Zündschnur und der Schwamm, der auf dem Niederwald angeblich versagte, in Rüdesheim wirkungsvoll war, obgleich sowohl Zündschnur als Schwamm im nassen Walde aufbewahrt waren. Daß zehn Schritt von der Festhalle in Rüdesheim eine Vertiefung nicht gefunden wurde, beweist noch nicht, daß die Angaben des Rupsch falsch seien. Ob wirklich gleich nach der Tat nach einer solchen Vertiefung gesucht wurde, erscheint mir wenig glaubhaft. Was das beantragte Strafmaß anlangt, so habe ich nichts dagegen zu bemerken. – Vert. Justizrat Bussenius (für Küchler): Ich bin als Offizialverteidiger beauftragt worden, den Küchler zu verteidigen. Küchler behauptet, er habe den Rupsch begleitet, um das Verbrechen zu verhindern.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/229&oldid=- (Version vom 23.7.2024)