Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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nach dem Kontinent zurückgereist, da muß er sich schon gefallen lassen, daß Briefe, die Familienangelegenheiten enthalten, verlesen werden. In einem der Briefe, die Frau Hau an ihren Mann geschrieben hat, heißt es: „Seitdem Olga Gedichte gemacht hat und keinen Verleger finden kann, stirbt sie an Größenwahn“. – Als weitere derartige Briefe verlesen werden sollten, bemerkte der Angeklagte halblaut zu seinem Verteidiger: Lassen Sie das doch, Herr Doktor, es hat doch keinen Zweck. – R.-A. Dietz: Ob es Zweck hat, überlassen Sie meiner Beurteilung. – In einem ferneren Brief von Frau Hau an ihren Mann teilte die Schreiberin eine Rede mit, die ihr Olga gehalten hat. Olga habe ihr Belehrung erteilt, wie sie ihren Mann behandeln solle. „Du behandelst Deinen Mann ganz falsch. Du mußt Deinen Mann eifersüchtig machen und ihm den Glauben beibringen, daß er sich nicht totsicher auf Deine eheliche Treue verlassen kann, dann wirst Du ihn fester an Dich ketten.“ Frau Hau antwortete in humoristischer Weise und bemerkte: Nach meiner Rückkehr wollen wir so verfahren. In einem ferneren Briefe schrieb Frau Hau an ihren Gatten: Olga ist ein netter, kleiner Käfer, sie ist sehr hübsch und kann sehr interessant sein. – Hierauf wurde das Testament der Frau Hau verlesen. In diesem heißt es: Ich wünsche auf die einfachste, billigste Weise ohne Pfarrer und ohne Blumen in unauffälliger Weise beerdigt zu werden. Ich kann die Schmach, die über unsere Familie gebracht worden ist, nicht überleben, ich muß in den Tod gehen. Ich hinterlasse 10 000 M., außerdem Juwelen, die in der Oldenburger Landesbank in einer verschlossenen Kassette sich befinden. Ich habe ferner ein Siebentel Anteil der Villa in Baden. Meine einzige Erbin ist mein Kind. Wenn mein Mann in Not sein sollte, so soll ihn sein Kind unterstützen. Sollte mein Mann alt und erwerbsunfähig sein, so soll ihm mein Kind eine Rente von 600 M. jährlich aussetzen, vorausgesetzt, daß sie sich in günstiger Vermögenslage befindet. Wenn mein Kind unverheiratet bleibt, so sollen ihr Vermögen meine Geschwister erben.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/46&oldid=- (Version vom 31.7.2018)