Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
|
daß er auswandem wollte. – Vert. R.-A. Dr. Werthauer: Ist dem Kriminalkommissar die Broschüre von Tucker „Die Lehre des Anarchismus“ bekannt und weiß er, daß Tucker in New-York als einer der hervorragendsten Lehrer des Anarchismus bekannt und angesehen ist? – Zeuge: Ja. – Vert.: Dann werden Sie wohl bestätigen, daß dieser Lehrer des Anarchismus mit der Propaganda der Tat nichts zu tun hat? – Zeuge: Das ist richtig, die Anarchisten und die Angeklagten lesen aber doch auch andere Bücher. – Staatsanwalt: Die Angeklagten haben doch auch die Mostsche „Freiheit“ gehalten und in diesem Blatte hat einmal gestanden, daß Mr. Tucker ein philosophischer Quatschkopf sei. – Koschemann bemerkte auf weiteres Befragen: Er habe wohl, als er von dem Attentat durch die Zeitungen erfuhr, von der Existenz eines Polizeioberst Krause in Berlin Kenntnis erhalten. Wie er gehört habe, sei Polizeioberst Krause der Kommandeur der uniformierten Berliner Schutzmannschaft und habe mit politischen Angelegenheiten nicht das geringste zu tun. Die Kiste wäre im übrigen nicht an Krause abgeliefert worden, da sie an den „Oberst Krause, Alexanderplatz 2“ adressiert war, Polizeioberst Krause wohne aber Alexanderplatz 5. – Postsekretär Finster, der der Verhandlung als Sachverständiger beiwohnte, bemerkte: Der Postbote wäre in diesem Falle nicht berechtigt gewesen, die Kiste kurzerhand nach Alexanderplatz 5 zu bringen, er hätte sie zunächst nach dem Postamt zurückbringen müssen. – Schutzmann Kurzhals bekundete: An einer Bedürfnisanstalt am Friedrichshain habe er folgende mit Bleistift hergestellte Inschrift gefunden: „Nieder mit ihm! Wir sind unser Acht – Krause nimm Dich in Acht – Wenn nicht zu Hause – So geschieht’s nach einer Pause! Acht entlassene W.“ – Obertelegraphen-Assistent Steger (Wilmersdorf), der von der Verteidigung als Sachverständiger geladen war, bemerkte: Nach seiner Ansicht hätte jeder Mechaniker die Vorrichtungen an der Kiste anders hergestellt. Die Sache sei so wenig kunstgerecht und so stümperhaft, daß man
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/179&oldid=- (Version vom 1.8.2018)