Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
|
einen Mechaniker nicht für den Verfertiger halten könne. Daß es möglich gewesen sei, in der beabsichtigten Weise die Explosion herbeizuführen, gebe er zu. – Koschemann bemerkte: Ein Mechaniker hätte sicherlich Sägespäne in die Kiste eingefüllt. Nach seiner Ansicht sei die Kiste nur hergestellt worden, um jemanden hineinzulegen.
Unter allgemeiner Spannung wurde Polizeioberst Krause vernommen: Er habe eine Reihe Zuschriften erhalten, die sich auf das Attentat bezogen. Die eine trage die Unterschrift „Magistratssekretär Wiering, Friedrichstraße“ und enthalte nur die Mitteilung, daß er den Absender der Kiste kenne. Dieser „Wiering“ existiere nicht. Ein zweiter Brief war in Fürstenwalde aufgegeben und lautete folgendermaßen: „Wenn Sie etwas von dem Urheber des Attentats wissen wollen, so erlaube ich mir Ihnen eine Adresse aufzugeben, nämlich die des Gutsbesitzers C. Biermann zu Karlshof bei Fürstenwalde. Wenn die Adresse stimmt, werde ich bei Ihnen vorkommen, um mir die 1000 M. Belohnung zu holen.“ – Der Zeuge verneinte die Frage, ob er je mit der Überwachung von Anarchisten und Sozialdemokraten zu tun gehabt habe. Nur einmal habe er tätlich eingreifen müssen, das sei im Jahre 1894 bei dem Krawall der Arbeitslosen gewesen. Eine Vermutung in betreff des Täters habe er nicht. „Wenn die Kiste angenommen und geöffnet worden wäre, so wäre wahrscheinlich mein Sohn das Opfer des Anschlags geworden“, erklärte Polizeioberst Krause mit bewegter Stimme. – Ein Verteidiger Koschemanns richtete an den Zeugen die Frage, ob er die Gesinnung der Schutzleute gegen sich kenne, und ob er bei seinen Untergebenen als streng gelte. Der Zeuge erwiderte, daß dies möglich sei, aber jedenfalls würden sie ihm auch das Zeugnis geben, daß er gerecht sei. Auf die Frage der Verteidigung, ob er wiederholt Drohbriefe bekommen, antwortete der Zeuge, daß er nach dem Attentat wohl eine Reihe von Zuschriften des allerunflätigsten Inhalts erhalten habe, darunter sogar eine Karte, welche behauptete, er habe sich die Kiste
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/180&oldid=- (Version vom 6.5.2018)