Frau Buschhoff erzählt auf Befragen des Präsidenten, was am Peter-Paulstag in ihrem Hause vorgekommen sei. Die Zeugin bestätigt im Wesentlichen die diesbezüglichen Bekundungen ihrer Tochter Hermine und des Angeklagten. Die Zeugin beginnt ebenfalls nach ihrer Vernehmung heftig zu weinen. Auf das Zeugniß des Siegmund Buschhoff wird verzichtet.
Der Erste Staatsanwalt übergiebt alsdann den Geschworenen die Akten, die gegen den Juden Fellemann geführt wurden und ein negatives Resultat ergeben haben. Es seien außerdem 40 andere Personen der That verdächtig gewesen.
Der Präsident erklärt alsdann die Beweisaufnahme für geschlossen und legt den Geschworenen folgende Schuldfrage vor: Ist der Angeklagte Adolf Buschhoff schuldig, am 29. Juni 1891 zu Xanten den Knaben Johann Hegmann vorsätzlich getödtet zu haben, und zwar, indem er die Tödtung mit Ueberlegung ausführte?
Es nimmt alsdann das Wort zur Schuldfrage Oberstaatsanwalt Hamm: Meine Herren Geschworenen! Der gegenwärtige Prozeß hat schon lange vor dieser Verhandlung die große Oeffentlichkeit beschäftigt. Er hat zum Gegenstande einer häßlichen Hetze sozialer und politischer Parteien dienen müssen. Die behördlichen Organe, die von Amtswegen zur Führung der Untersuchung verpflichtet waren, wurden in der gemeinsten Weise angegriffen. Parteimänner und Parteiblätter haben sich nicht entblödet, dem richterlichen Urtheile vorzugreifen und den Versuch zu machen, durch allerlei Hetzartikel das sachliche Urtheil zu trüben. Allein die große Aufmerksamkeit, mit der die Herren Geschworenen der Verhandlung gefolgt sind, giebt mir die Gewähr, daß dieselben sich allen Stürmen von außen unzugänglich erweisen und nur auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung nach bester eigener Ueberzeugung ihren Wahrspruch abgeben werden.
Ich will nun zunächst den objektiven Thatbestand beleuchten. Am 29. Juni 1891 Vormittags spielten einige Kinder in der Kirchstraße zu Xanten; zu diesen gehörte der fünfeinhalbjährige Johann Hegmann. Es steht fest, gegen 10 Uhr Vormittags ist der kleine Hegmann zum letzten Male gesehen worden, von dieser Zeit ab war er verschwunden. Der Knabe kam nicht wie gewöhnlich nach Hause zum Frühstück, er kam auch nicht zum Mittag, er wurde überall gesucht; endlich Abends gegen halb 7 Uhr wurde
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/124&oldid=- (Version vom 31.7.2018)