der Knabe in der Küppers’schen Scheune ermordet aufgefunden. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß nach 10 Uhr Vormittags der Knabe in der Scheune ermordet wurde. Der Hauptpunkt ist, daß das Kind am Fundort getödtet worden ist. Ich habe nicht erst nöthig, die medizinischen Gutachten zu wiederholen. Diese stellen sämmtlich zweifellos fest, daß der Mord am Fundort geschehen ist. Der erste in der Scheune erschienene Arzt war allerdings Herr Dr. Steiner. Dieser äußerte sofort seine Ueberzeugung, daß der Mord nicht in der Scheune, sondern an einem anderen Orte geschehen sein müsse, denn das vorgefundene Blut war nur die Folge einer Nachblutung.
Es ist bedauerlich, daß nicht sofort ein Arzt zur Stelle war, der forensische Kenntniß besaß, und es ist außerdem bedauerlich, daß die Aerzte nicht im Allgemeinen mehr von der forensischen Wissenschaft verstehen. Als der Mord bekannt wurde, war zunächst die allgemeine Meinung: entweder ist der Knabe durch das sogenannte Schweineschlachten-Spiel der Kinder zu Tode gekommen, oder es ist die That eines Verrückten. Selbst Junkermann sagte, als er am Abende des 29. Juni vom Schützenplatz kam: es ist möglich, daß der geistesschwache Knippenberg den Mord begangen habe. Andererseits wurde gesagt: Knippenberg sei viel zu gut, um den Mord begehen zu können. Allein es wurde festgestellt, daß Knippenberg mit seinem Schwager Hegmann wegen Erbschaftsangelegenheiten im Unfrieden lebe. Als fernere muthmaßliche Todesursache wurde gesagt, daß der Knabe vielleicht in die Wannmühle gefallen sei. Diese Vermuthung hatte auch Buschhoff ausgesprochen. Es ist richtig, Buschhoff hat am längsten an dieser Vermuthung festgehalten. Allein es darf nicht außer Acht gelassen werden, daß Buschhoff taub ist und daß ihm seine Stammesangehörigkeit verbot, die Scheune zu betreten und sich den Leichnam anzusehen. Am folgenden Tage lief Junkermann zum Bürgermeister und sagte: den Mord könne nur ein Jude gethan haben, er habe von seinem Sohne gehört, daß die Juden Christenblut brauchen. Es kamen hierauf die Angaben des Zeugen Mölders, des Knaben Kernder, des Knaben Heister; Junkermann und andere wollten wissen, daß der Halsschnitt des Kindes ein Schächtschnitt sei. Von da ab begann der Verdacht gegen Buschhoff. Dieser Verdacht wurde um so reger, da angeblich zu wenig Blut in der Scheune vorhanden war und Buschhoff früher Schächter gewesen sei. Es meldeten sich
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)