unerschöpflich der biblische Stoff ist und wie sehr auch oft wiederholte Gegenstände neuer und eigenthümlicher Auffassung fähig sind, das erfahre ich auch immer von Neuem. Ich bin wieder zur Maria Magdalena gelangt, eine liebe, tiefe und innige Persönlichkeit, und ich komme dabei wieder auf einen Gedanken, einen Entwurf aus dem Jahre 1816 oder 17.
17) Donnerstag ... Dann begebe ich mich nach Neustadt, um Schönherrs Malerei in der katholischen Kirche zu besichtigen. Christus mit den beiden Engelgruppen ist nun bald vollendet. Wenn die Ornamente demnächst gemalt werden, so kann die Malerei fixirt, der Grund vergoldet und somit die Kuppel der Chornische noch in diesem Herbst völlig vollendet werden. Schönherr hat sich bewährt, und ich denke, es soll sein Vortheil sein ...
25) Freitag ... Beim Thee erhalte ich einen Brief von Wigand, der weniger angenehm ist. Wigand ist ängstlich wegen des Erfolgs unseres Werkes und ungeduldig wegen dessen Vollendung. Doch schreibt er in sehr rücksichtsvoller Weise. – Ade sendet einen Probedruck seines Blattes „Die Auferweckung des Töchterlein Jairi“. Das Blatt ist sehr rasch entstanden, ohne vernachlässigt zu sein. Doch ist Ade kein Gaber oder Joch.
26) Samstag ... Nach der Arbeit erquicke ich mich durch einen Spaziergang ins Freie. Wie ich nach Hause komme, berichtet mir die Hausfrau, daß der Erbprinz von Meiningen mir einen Besuch machen wollte und, da ich nicht da war, nach ihr gefragt und sich dann lange mit ihr unterhalten hat. – Ich werde ihn dann wohl nur erst im Museum wiedersehen.
27) Sonntag. Brief an Wigand als Antwort auf den vorgestern empfangenen. Ich kann nur anerkennen, daß Wigand sehr rücksichtsvoll und freundschaftlich sich gegen mich ausgesprochen; das ändert indessen nicht den Inhalt seines Begehrens. Er will raschere Vollendung des Werkes, als ich es zu liefern vermag, und will jetzt schon ein Verzeichniß aller einzelnen Blätter haben, welche es enthalten wird. Ich muß ihm sagen, daß ich diese Wünsche nicht erfüllen kann, wie gern ich auch möchte. – Wider Erwarten wiederholt der Erbprinz Georg von Meiningen schon diesen Morgen (etwa gegen 10 Uhr) seinen Besuch bei mir. Er ist begleitet von einem Musiker Namens Reichel. Die Unterhaltung wird sehr lebhaft. Natürlich ist es die Kunst, um welche sich das Gespräch dreht; da wird aber in der Hauptsache alles berührt, und ich glaube, in vollem Einverständniß. Der Prinz bleibt über eine Stunde. Als er weggeht, fährt der Großherzog von Weimar in einer Hofequipage bei Rietschel vor.[1] Der Prinz hält sich auf der Treppe zurück, um nicht gesehen zu werden, da er sich bei Hofe noch nicht vorgestellt hat ...
Oktober.
1) Donnerstag ... Nach meinem Spaziergang finde ich zwei Probedrücke in meinem Hause, die Gaber inzwischen gebracht hat. Sie sind sehr schön, obwohl nicht von Gaber selbst gearbeitet. Der eine ist das Blatt „Jesu erste Jünger“, der andere „Zwei Blinde rufen Jesum um Hilfe an“ ...
3) Samstag ... Ant. Joerdens bringt mir den Probedruck seiner sehr brav gearbeiteten Platte „Die Bergpredigt“ ...
4) Sonntag. Schon am Morgen fleißig bei der Aufzeichnung: „Jesus und die Sünderin“. Bis Mittag ist die Zeichnung fertig ... Nachmittag 1/4 4 Uhr mache ich mich ... auf den Weg über Kaitz nach Cunnersdorf. Der Tag ist so mild und schön wie möglich. Das stille Thal ist entzückend schön. Ueber Plauen gehen wir dann zurück ...
5) Montag. Ein neuer Gegenstand in Angriff genommen: „Die Aussendung der zwölf Apostel“. Darstellbar ist, genau genommen, der Gegenstand nicht, aber zu wichtig, um von mir übergangen werden zu können, im Uebrigen wird sich das Bild durch das, was davor und dahinter kommt, erklären ...
7) Mittwoch ... Abends besuchen uns die Herren Nießen aus Düsseldorf,[2] Höninghaus[3] und Borg.[4] Das Album und das Landschaftsbuch werden besehen. Nießen gefällt mir sehr gut. Wir verständigen uns ganz über einige Persönlichkeiten, als da sind Kaulbach, W. Schadow ...
8) Donnerstag. Von Wigand erhalte ich einen überaus freundlichen und liebevollen Brief als Antwort auf meinen letzten, der ihn ganz beruhiget und überzeugt hat. Meine Achtung kann nur sich steigern durch ein so unumwundenes Zugeständniß eines Mannes, der alle Ursache hat, zuweilen vor dem Umfang von Lasten und Sorgen zu erschrecken, welche eine Unternehmung, wie unser Werk, mit sich bringen mag ...
9) Freitag ... Am Abend kommt Nießen und trinkt den Thee mit uns. Er macht mich mit einem interessanten Buch bekannt: „Der deutsche Christus“ von Candidus, Pfarrer in Nancy. Das Buch ist verlegt von Hirzel in Leipzig.[5]
- ↑ Rietschel und Schnorr wohnten damals einander gegenüber auf der kleinen Reitbahngasse, jetzigen Carolastraße.
- ↑ Johannes Nießen, Maler, geb. 1821 in Köln, 1866 bis 1890 Konservator des dortigen Wallraf-Richartz-Museums.
- ↑ Adolf Höninghaus, Landschaftsmaler, geb. 1811 in Krefeld, gest. 30. September 1882 daselbst.
- ↑ Borg aus Köthen, damals Atelierschüler Schnorrs.
- ↑ Karl Candidus, der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig 1854. Der Verfasser, geb. 1817 zu Bischweiler, gest. 1872, hat das kleine Werk seinen „getreuen Freunden Theodor
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/295&oldid=- (Version vom 17.8.2024)