11) Sonntag. Es wird die Arbeit zur Feststellung der Gegenstände aus dem Neuen Testament fortgesetzt, dabei einiges leicht entworfen. So oft die meisten Gegenstände dargestellt sind, so ergeben sich doch immer wieder neue Auffassungen ...
12) Montag ... Gegen Abend mache ich mit Andreä[1] einen Spaziergang. Um 7 Uhr begeben wir uns mit Rietschel zu Gruners, zu denen wir auf Rauch geladen sind. Rauch kommt aber nicht. Er ist leidend. Wir finden Bendemanns und Hübners. Trotz dieser etwas seltsamen Gesellschaftszusammensetzung ist die Unterhaltung eine belebte und unbefangene.
13) Dienstag ... Herr De Fresne besucht mich nochmals.[2] Er verlangt einige Zeichnungen zu meiner Bilderbibel zu sehen und nimmt davon Veranlassung mich zu fragen, ob ich Katholik sei. Auf meine Verneinung erwidert er, er sei Katholik und als solcher müsse er annehmen, daß ich im Irrthum sei. Darauf beginnt er seine Argumente in Bewegung zu setzen; ich schneide eine weitere Entwickelung der Beweise für die Alleingültigkeit des Katholizismus aber mit der Versicherung ab, ich habe über die Sache viel nachgedacht und wisse wenigstens so viel, daß wir in einem Diskurs darüber nicht zu Ende kommen würden. Museum. Daselbst finde ich ein Schreiben des Ministeriums des Königlichen Hauses, in welchem mir mitgetheilt wird, daß aus Rom Antwort gekommen sei wegen der Anfragen über das Bild „der heilige Rochus“. Diese Antwort, welche abschriftlich beiliegt, enthält aber nur den Nachweis, daß die Nachforschungen über die Herkunft der fraglichen Skizze zu keinem Resultat geführt haben. Mir ist das nun jetzt ziemlich einerlei. Seitdem ich das Bild in der Nachbarschaft der echten Originalskizzen des Rubens gesehen habe, ist die Meinung von seiner Echtheit gewichen, und ich gestehe nun gerne zu, daß Hübner Recht hat ...
18) Sonntag ... Abends werden ein Paar Abschnitte aus den „Hesperischen Blättern“[3] gelesen. Die Partie mit der Signora Antonia in Tivoli beschreibt mir Freund Stier[4] etwas gar zu ausführlich und zu überschwänglich. – Heute der entscheidende Tag der Völkerschlacht bei Leipzig. Vierundvierzig Jahre sind es nun her, daß der Entscheidungskampf stattfand; doch denken die Menschen viel zu wenig daran.
19) Montag ... Nach dem Thee lesen wir ein Paar Abschnitte aus Stiers Buch. Die Abschnitte Ariccia, Ostia, Genzano sind sehr schön und mit der ganzen Schwunghaftigkeit geschrieben, die dem seligen Freunde so eigen war.
20) Dienstag ... Nach dem Thee lesen wir aus einem neuen Buch von Otto Ludwig, das den Titel führt „Heiterethei“ – es erinnert sehr an die Auerbachschen Dorfgeschichten – und folgen der Erzählung mit größester Spannung.
21) Mittwoch ... Im Museum finde ich Schwarzmann[5] mit Frau Heiß aus München, der Frau des berühmten Bräuers, welcher das neue große Brauhaus im Plauenschen Grund eingerichtet hat und das Braugeschäft führen wird. Die junge Frau ist der Münchner Künstlerschaft als geschickte und angenehme Wirthin des Pollinger Brau- und Gasthauses in bester Weise bekannt geworden, und da mache ich mirs zur Pflicht, im Namen der hiesigen Künstlerschaft und in meiner Eigenschaft als Direktor der Galerie die Honneurs zu machen. Ich führe sie nach Hause und gehe noch mit Schwarzmann in der Stadt umher, um ihm unsere Bauten und neuen Straßenanlagen zu zeigen ...
23) Freitag. Mein Schüler Friedr. Lange[6] ist ein Beweis, wie großen Einfluß die Entfaltung des innern Lebens auf die Ausübung der Kunst hat. Was er jetzt an seinem Karton gearbeitet hat, ist so ohne allen Vergleich vorzüglicher als das, was er vor seiner Krankheit gemacht hat, daß das ungehindertste und fleißigste Studium ihn nicht mehr hätte fördern können, als es sein Leiden gethan hat ...
25) Sonntag ... Abends lesen wir aus Heiterethei. Dieselben Bemerkungen, welche wir gestern schon über die zu große Ausführlichkeit der Schilderung zu machen hatten, werden auch heute wieder hervorgerufen. Dazu kommt, daß das Mädchen in ihrer eigenthümlich derben Sprödigkeit in eine Verschrobenheit geräth, welcher zu folgen peinlich wird. Bei alledem sind diese menschlichen Zustände mit tiefstem Einblick und meisterhaftester Behandlung entfaltet.
- ↑ Karl Andreä, Maler (siehe über ihn Pastor, Reichensperger Bd. 2. Freiburg 1899. S. 323 ff.), wohnte damals in Dresden, jetzt in seiner rheinischen Heimath.
- ↑ Aus einem in Schnorrs Nachlaß vorhandenen Briefe eines Marcellin De Fresne, „ancien Secrétaire général de la Préfecture de la Seine", geht hervor, daß Schnorr einen Besuch des Briefschreibers 1841 in München empfangen hatte.
- ↑ Hesperische Blätter. Nachgelassene Schriften von Wilhelm Stier. Berlin 1857.
- ↑ Wilhelm Stier (1799–1856), Architekt.
- ↑ Joseph Schwarzmann, Dekorationsmaler, geb. 1806 zu Prutz in Tirol, gest. 1890 in München: vergl. Allgem. deutsche Biographie Bd. 33 S. 315 f.
- ↑ Friedrich Lange, Maler, geb. 1834 in Plau (Mecklenburg), gest. 18. Juli 1875 in Straßburg i. E.
Kugler, Gustav Mühl, August Nefftzer zur Erinnerung an entschwundener Jugendzeit trauliche Weihestunden“ gewidmet, Jacob Grimm hat ein Vorwort beigesteuert.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/296&oldid=- (Version vom 17.8.2024)