In dem 6 Uhr abends vom Kaiser Alexander in Zöblitz einberufenen Kriegsrate beschloß man, kürzesten Wegs auf Dresden vorzugehen – zu welchem Zwecke? ist aus keinem der erlassenen Befehle zu ersehen. Radetzky wie Langenau, auch Toll und später Barclay sollen gegen den Entschluß gewesen sein. Die „Motivierung desselben“, sagt die Lüdtkesche Schrift S. 30, „kann uns nicht weiter interessieren“. Doch! Man motivierte den Entschluß – vielleicht vor sich selbst – damit, daß eine Unterstützung des mit den Vortruppen schon bis in die Pirnaer Gegend gelangten, isolierten rechten Flügelkorps Wittgenstein nicht rechtzeitig möglich sei und daß man durch einen Vormarsch auf Dresden sowohl die eventuell gegen Berlin wie gegen Böhmen oder den Rücken der böhmischen Armee operierenden napoleonischen Streitkräfte zur Umkehr nötigen würde, unterdessen Dresden nehmen und dadurch den Franzosen den Rückzug über die Elbe wenn nicht abschneiden, so doch sie zu nördlicherem Ausbiegen veranlassen könne.
Es erfolgte eine Rechtsschwenkung der böhmischen Armee, wiederum, wie oben erwähnt, ohne einen klaren strategischen Zweck auszusprechen, über den man anscheinend selbst im dunkeln oder nicht einig war.
Nach zweitägigem Marsche der drei westlichen, rechts schwenkenden Kolonnen, der bei der Gebirgsdurchquerung auf schlechten Wegen und unter großem Mangel an Lebensmitteln die Kräfte von Mann und Pferd nahezu erschöpfte, war die Situation der Armee am 24. August die in der Lüdtkeschen Schrift S. 31 kurz angegebene.
St. Cyrs gegen Pirna etc. vorgeschobene Abteilungen waren unter Verlusten vor den Wittgensteinschen Truppen bis an die Vorstädte von Dresden zurückgewichen, die Stadtumfassung und den Großen Garten besetzend.
Die Armeeabteilung Wittgenstein, von der das 2. Korps unter Herzog Eugen von Württemberg mit der Brigade Helffreich zur Deckung gegen feindliche Unternehmungen vom Königstein her bei Zehista und Krietzschwitz zurückgelassen wurde, gelangte in den Rayon Torna – Prohlis;
Korps Kleist in den Rayon zwischen Reinholdshain und Oberhäßlich;
die österreichischen Kolonnen III und IV nach Dippoldiswalde und Umgebung;
Korps Klenau bis Freiberg;
die russischen und preußischen Garden waren noch zurück an der böhmischen Grenze.
An gleichem Tage waren auch wichtige Nachrichten über Napoleon durch den am 22./23. August erfolgten Übertritt von Teilen zweier westfälischer Husarenregimenter aus dem französischen Lager von Reichenberg bei Görlitz bei den Verbündeten angelangt. Man kam dadurch in Kenntnis von der Stellung der französischen Armee in Schlesien und der Lausitz und erfuhr, daß Napoleon mit den Garden aus der Lausitz nach Schlesien gegen Blücher[1] aufgebrochen und der angebliche französische Vorstoß gegen Böhmen (18. und 19. August) anscheinend Demonstration gewesen sei.
Das mußte notwendig zu entschiednerem Vorgehen veranlassen. Schnelles Handeln war geboten, wollte man Dresden, falls das noch geplant wurde, in seine Hände[2] bekommen, bevor Napoleon aus Schlesien anlangte.
Man scheint am Abend des 24. August im Hauptquartier so ganz klar über die Handlung am 25. nicht gewesen zu sein, denn bei ganz mäßigem Weitermarsch bis vor das, wie man wußte, nur schwach besetzte Dresden wird das Eintreffen dort nur mit Kolonnenteilen und zwar erst auf 4 Uhr abends angeordnet[3]. Schwarzenbergs Befehl spricht aus, daß am 25. August etwa die Hälfte der vier Hauptkolonnen (Wittgenstein, Kleist, Österreicher der III. und IV. Kolonne), in Summa rund 80–85 000 Mann, sämtlich mit ihren schweren Batterien an der Tete, vor Dresden in eine 4 Uhr abends zunehmende
Aufstellung[4] einrücken, die Gros der Kolonnen indes
- ↑ Diese Nachricht über Napoleon war freilich schon vier Tage alt. Am 20. August mittags waren die Garden von Görlitz nach Lauban abgerückt.
- ↑ Es wird in der Lüdtkeschen Schrift S. 31–33 bezüglich der entstandenen Legende, man habe mit der Expedition auf Dresden die Eroberung der Stadt gewollt, das Für und Wider und der Fall besprochen, Napoleon wäre nicht oder wäre vor Dresden erschienen. Beizustimmen ist der dabei schließlich gemachten Angabe, daß eine feste Absicht oder ein Beschluß des Oberkommandos zur Eroberung Dresdens nach dem, was bisher bekannt geworden, nicht ausgesprochen war. Nachdem man vor dieser Stadt aber zu taktischen Anordnungen geschritten, können für die Beurteilung der letzteren nur die erlassenen Befehle ins Auge gefaßt werden, gleichgültig, ob diese zum Reichenbacher Programm passen oder nicht. Nur eine Bemerkung auf S. 32 möge eine kurze Erwiderung finden. Dort heißt es, die gelungene Besitznahme Dresdens angenommen: „Aber Napoleon wäre zurückgekommen und man wäre, wollte man Dresden nicht gleich wieder aufgeben, vor seinen Toren ohne die Mitwirkung der beiden anderen Armeen zu einer Schlacht gezwungen worden, die eben nicht im Programm der Verbündeten lag“. Am 27. August nahm man aber doch solche Schlacht an, nur vor den andern, den südlichen Toren Dresdens.
- ↑ Zutreffend bemerkt auch Lüdtke S. 31: „etwas Bestimmtes ward nicht ins Auge gefaßt“.
- ↑ Die 4 Uhr abends einzunehmende Aufstellung der Verbündeten war nach Aster, „Schilderung der Kriegsereignisse in und vor
Dresden“, S. 144/145 wie nachstehend angeordnet:
Für die Vortruppen:von Kolonne I „hinter dem Großen Garten, Seitenkolonne hinter Striesen und Blasewitz“, „ „ II „hinter Strehlen“, „ „ III „vorwärts zwischen Kaitz und Räcknitz“, „ „ IV „mit dem linken Flügel gegen Plauen“, Division Mezko „hinter Löbtau, Seitenkolonne gegen Schusterhäuser“.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/50&oldid=- (Version vom 30.1.2025)