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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/14

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In diesen unruhigen Tagen der 30er Jahre lag der angeborene friedliche Sinn der Dresdner Bevölkerung mit den Aufreizungen moderner liberaler Gedanken im Widerstreit. Volkshaß und Volksgunst wechselten ab wie heftiger Regen und lachender Sonnenschein im April. Aber 1849 entlud sich eine schwere Gewitterwolke verheerend über unserer Stadt. Von den Revolutionswirren des Jahres 1848 blieb Dresden zunächst äußerlich verschont, aber gewisse Anzeichen verrieten doch deutlich, daß es im Innern gährte: am 15. März wurde ein größerer Volksauflauf, der sich wieder gegen das Polizeihaus richtete, durch den Aufmarsch der Kommunalgarde auf dem Altmarkt mit leichter Mühe zur Ruhe gebracht; eine mächtige Kundgebung, vom Vaterlandsverein veranstaltet, war die Totenfeier für Robert Blum am 19. November, zu der sich ein langer Menschenzug mit Trauerfahnen über den Altmarkt nach der Frauenkirche begab. Mit der Zunahme dieser inneren Gährung Anfang 1849 wurde Dresden von den Sendlingen der Revolution insgeheim zum Platze eines Hauptschlages auserkoren. Die bestimmte Ablehnung der Reichsverfassung durch den König am 3. Mai bot den äußeren Anlaß. Viele glaubten für die Reichsverfassung zu kämpfen, während Umsturzpläne schon längst die Oberhand hatten. Am Zeughaus, wo die Menge ungestüm Waffen verlangte, fielen gegen 4 Uhr Nachmittags die ersten Opfer und dieses Blut besiegelte den Aufstand. Und der Altmarkt wurde der Herd dieses Aufstandes: hier sammelten sich die bunten Scharen der Kämpfer, von hier wurden sie zum Kampfe in die Barrikaden geschickt. Und ob er gleich von dem eigentlichen Kampfe fast nichts sah, so war er doch der Mittelpunkt des Kampfes, das strategische Ziel der Angreifer: denn auf dem Rathaus war der Sitz der provisorischen Regierung und des Hauptquartiers der Aufstandsleitung. Der Rathausbalkon war die Kanzel des Aufstandes, von der die Kundgebungen an die Massen ergingen – nie ist so viel auf diesem Balkon geredet worden als in diesen Tagen. Schon am Morgen und Mittag des 3. Mai wogten auf dem Platz Menschenmengen, die auf die Verkündung der Antwort des Königs und überhaupt auf die Dinge, die kommen sollten, harrten. Die Verkäufer räumten die Marktbuden, die dann am Nachmittag zum Barrikadenbau benutzt wurden. Schreiende Gruppen sprachen aufgeregt über die Lage und über ihre Erwartungen und Befürchtungen. Aufwiegler taten ihre Arbeit bei den empfänglichen Massen: aus dem Erkerfenster der Löwen-Apotheke, wo sich jetzt der Arnoldische Kunstsalon befindet, schleuderte die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient die Aufforderung in die Menge herab, nach dem Schloß zu ziehen. Immer dichter wurden die Massen und in den ersten Nachmittagsstunden änderte sich ihr Aussehen: die friedlicheren[WS 1] Elemente verschwanden, die Bewaffneten nahmen      [WS 2] und wilde Gestalten tauchten auf. Auch die Kommunalgarden marschierten auf den Markt. In der Menge erscholl der Ruf nach Waffen, das Aufbrechen und Plündern eines Ladens an der Seegassenecke, wo man Pulver und Blei vermutete, wurde durch die Kommunalgarde verhütet. Aber die Aufstandsleitung hatte genügend für Munition gesorgt: in ganzen Säcken wurde solche herumgereicht. Abends wurden auch Tausende von Sensen verteilt. An den Marktausgängen stiegen Barrikaden in die Höhe. Auf dem Rathaus war inzwischen ein Sicherheitsausschuß in Tätigkeit getreten, dem Tzschirner, der Führer der äußersten Linken in der Kammer, zwar nicht angehörte, aber schon die Maßnahmen vorschrieb. Am Balkon wurde die Deutsche Fahne aufgepflanzt. Das Hervortreten Tzschirners aber machte viele Gutgesinnte, die für das Schwarz-rot-gold streiten wollten, schon stutzig, ganze Kommunalgarden-Bataillone rückten ab. Der Kommandant der Kommunalgarde, Kaufmann Lentz, hatte schon im Anfang sein Kommando niedergelegt. Die wütende Menge nahm Rache an ihm, indem sie seine Wohnung und sein Schnittwarengeschäft im Hause der Löwen-Apotheke plünderte und zerstörte. Als Tzschirner abends vom Balkon aus den neuernannten Kommandanten der Kommunalgarde und des Aufstandsheeres überhaupt, Obristleutnant Heinze, vorstellte, ging durch Zufall ein Gewehr auf dem Altmarkt los; auch dieser Schuß von unbekannter Hand, den die Masse gegen Tzschirner abgegeben glaubte, steigerte die Wut und Aufregung. Zahlreiche Zuzüge von auswärts rückten auf den Markt und wurden jubelnd empfangen; einzelne aber, wie die Tharandter Kommunalgarde, traten, als sie den wahren Stand der Dinge sahen, sofort den Rückmarsch an. Was nunmehr den Markt füllte, waren entschlossene Revolutionskämpfer, bunte Haufen in den verschiedenartigsten Kostümen und Bewaffnungen, Scharfschützen, Kommunalgardisten, Turner, Bergleute, Feuerwehren, Akademiker, Techniker, Polen mit der Czapka, Proletarier mit Piken, Sensen und Äxten. Selbst einige Böllerkanonen brachten die Bergleute der Burgkschen Werke mit, aus denen sie in den Kampftagen eiserne Zylinder abschossen. In der Nacht entwickelte sich ein Biwak an brennenden Lagerfeuern; Kugeln wurden gegossen und Patronen gefertigt. Mit dem Tagesgrauen des 4. Mai stiegen vom Markt Signalraketen in die Luft. Am Vormittag stellte der Oberlehrer Dr. Köchly vom Rathausbalkon herab den Massen die nach der Flucht des Königs gewählte provisorische Regierung vor. Einen Offizier, der nachmittags vom Zeughauskommandanten entsandt war, wußte Tzschirner auf den Balkon zu locken und so die Täuschung zu erwecken, als ob die Zeughaustruppen übergegangen seien. Der planmäßige Angriff der Truppen

auf die aufrührerische Stadt begann erst am 5. Mai mittags. Die Angreifer, am Abend des 5. Mai durch preußische

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fehlstelle, wurde sinngemäß durch „friedlicheren“ ersetzt
  2. Vorlage: Fehlstelle
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/14&oldid=- (Version vom 3.1.2025)