Unter dem Titel „Bericht eines Augenzeugen von dem, was bei der doppelten Invasion der Oestreicher in Dresden vom 11. Juni bis 21. Juli 1809 vorgefallen ist“ findet sich der im Nachstehenden abgedruckte Aufsatz in dem in der Dresdner Königlichen Öffentlichen Bibliothek aufbewahrten handschriftlichen Nachlaß des berühmten Archäologen Karl August Böttiger (Saxonica und Sammlungen zur Zeitgeschichte, fol.). Der Verfasser des von Kopistenhand geschriebenen, offenbar für den Druck bestimmt gewesenen Manuskriptes wird nirgends genannt; jedenfalls ist er in den litterarischen Kreisen der Residenz zu suchen, wie verschiedene Bemerkungen (über die Beschaffenheit des Stils der aus der Kanzlei des Fürsten Lobkowitz stammenden Produkte etc.) andeuten. Daß Böttiger selbst der Urheber sei, dürfte wegen der geringschätzigen Erwähnung von Gentz, mit dem Böttiger befreundet war, ausgeschlossen sein. Die Abhandlung ist werthvoll, einmal weil sie, wie eine Vergleichung mit der sonstigen Ueberlieferung ergiebt, in den Einzelheiten im Großen und Ganzen durchaus genau und zuverlässig ist und zur Erweiterung unseres Wissens von den damaligen Ereignissen in Dresden nicht unwesentlich beiträgt, sodann aber auch weil sie eine lebendige, zusammenhängende Erzählung bietet und dadurch von den meisten uns erhaltenen Spezialberichten, die nur eine mehr oder weniger trockene Aufzählung von Thatsachen geben, sich vortheilhaft unterscheidet. Der Standpunkt ist freilich ein durchaus einseitiger, subjektiver; der Autor gehört zu den unbedingten Anhängern des Königs Friedrich August und hat dementsprechend kein Verständniß für die Bedeutung der patriotischen Erhebung Oesterreichs, die er vielmehr herabzusetzen bemüht ist, wenn er auch die treffliche Haltung der Okkupationstruppen anerkennen muß. Daß weite Kreise der Bevölkerung thatsächlich aufrichtige warme Sympathien für die Oesterreicher hegten, wovon wir z. B. aus Kügelgens Jugenderinnerungen erfahren, wird direkt in Abrede gestellt. Im hellsten Lichte erscheint daher die Thätigkeit des sächsischen Obersten Thielmann; daß dieser durch sein thörichtes Vorgehen die Oesterreicher erst zum Einmarsch in Sachsen gereizt hatte, wird verschwiegen. Mit Recht wird dagegen das Auftreten des Herzogs von Braunschweig scharf getadelt, dessen ungerechte Requisitionen das Land schwer schädigten und mit dem Inhalte seiner hochtrabenden Proklamationen seltsam kontrastirten. Die gedruckten Aktenstücke, auf die in der Abhandlung mehrfach verwiesen wird, liegen hier nicht mehr vor, sind aber anderweit erhalten (besonders in den Beilagen zu Röbers Tagebuch, Kgl. Bibl. Dresden Mscr. d. 81 und in einem Sammelbande ebenda Hist.univ. B 80 b), auch zum Theile in den Schriften von Am Ende, Feldmarschall-Lieutenant Carl Friedrich Am Ende, Wien 1878, sowie von Frhr. v. Friesen, Dresden im Kriegsjahre 1809 (Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, Heft 11), Exner, Die Antheilnahme der Kgl. Sächs. Armee am Feldzuge gegen Oesterreich (Dresden 1894) neu abgedruckt. Der Text des Aufsatzes ist in neuerer Orthographie wiedergegeben; einzelne Erläuterungen dazu stehen in den Anmerkungen.
Wie die Blicke von ganz Europa, so waren auch seit dem Anfange des Jahres 1809 die Augen aller Einwohner Sachsens auf Oestreich gerichtet. Nachbarlich
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/79&oldid=- (Version vom 4.9.2024)