Nr. 18. Nach Freund Tiedges Tode, wenn mein treuer Pappermann im vollen alleinigen Besitze meines ihm hinterlassenen Hauses tritt, dann habe ich noch über 7150 Thlr. pr. Cour. zu disponiren, wie dies aus Paragraph Nr. 2 zu ersehen ist.
Folgende Vermächtnisse bestimme ich hiermit, welche Pappermann sechs Monate nach Herrn Tiedges Tode den Empfängern auszuzahlen hat. Meine Pathe Constantin Naumann[1], Professor zu Freiberg, erhält 1000 Thlr. Meine geliebte Pathe Elisa Hasse, Tochter meines edeln Freundes Professor Hasse[2] zu Leipzig, erhält 1000 Thlr. Doch sollte meine geliebte Pathe Elisa Hasse früher als Herr Tiedge sterben, dann erbt ihre edle Mutter, meine innigst geliebte Freundin Auguste Hasse, diese 1000 Thlr. Meine geliebte Pathe Elisa Pleißner erhält 1000 Thlr. Sollte sie aber früher als Tiedge sterben, dann werden diese 1000 Thlr. zwischen ihrer Schwester und ihren beiden Brüdern getheilt. Mein edler Freund Kaden[3] bekömmt 600 Thlr. Sollte er früher als Tiedge sterben, dann tritt seine würdige Lebensgefährtinn an Stelle ihres trefflichen Gatten. Mein Freund, der Herr Prediger Linke, erhält 400 Thlr. Meine geliebte Pflegetochter Emma Jäger zu Ronneburg bekömmt 400 Thlr. Meine beiden Zöglinge Carl Leonhard und Moritz Leonhard, die ich beide seit ihrem 10. Jahre erzogen habe und die meiner Erziehung Ehre machen, erhalten ein jeder 300 Thlr. Die Schmaltzische[4] protestantische Armenschule erhält 400 Thlr. Der in der Neustadt gestiftete Frauenverein, an dessen Spitze die liebenswürdige Frau von Houwald[5] jetzt steht, erhält 200 Thlr. So bekömmt auch die Krankenanstalt zu Camenz 400 Thlr. Den Rest dieser 7150 Thlr. hinterlasse ich den Kindern meiner beiden Pflegetöchter, Pauline Pleißner und Johanna Streit, zu gleichen Theilen.
[In Nr. 19 disponirt Elisa über ihre Vorräthe an deutschen, französischen und griechischen Weinen, durch die sie mehreren der bisher genannten Freunde, auch Prof. Förster am Kadettenkorps, eine Freude zu machen gedachte.
Die Angaben endigen mit der Bemerkung: „Ich habe mehrere Tage unter heftigen Körperleiden an diesem Codezille geschrieben; am wüthendsten waren meine Kopf- und Nackenschmerzen am 24. Febr., als ich dies Blatt beschrieb. Daher ist der Styl so unzusammenhängend. Aber dennoch drückt alles auf diesem Blatte niedergeschriebene meinen Willen aus. Dresden, d. 28. Febr. 1832 Elisa von der Recke“.]
Nr. 20. Noch an meinem Sterbetage werden meine Freunde Hofrath von Langenn und Hofrath Hase es Pappermann und meiner guten Charlotte übertragen, daß beide bis nach meiner Beerdigung die Wirthschaft fortführen, als lebte ich noch. Charlotte nimmt gleich nach meinem Tode meine Schlüssel in ihre Obhut; und nach meinem Begräbnisse übergiebt Charlotte Herrn Tiedge die Schlüssel, welche zu den Schränken gehören, die ich Herrn Tiedge hinterlassen habe. Da meine gute Charlotte und meine liebe Mathilde es wissen, wo meine Briefschaften, Tagebücher und einige Briefschaften, die ich nicht vernichtet habe, liegen, so werden meine beiden Freunde Hofrath von Langenn und Hofrath Hase vereint mit meiner geliebten Mathilde alle meine Tagebücher sorgfältig sammt allen meinen Papieren in einen Koffer legen, diesen verschließen, und einer meiner Freunde versiegelt den Koffer mit seinem Siegel, und bis nach meiner Beerdigung bleibt der versiegelte Kasten in der Obhut meiner guten Charlotte. Dann aber übergiebt Freund Hase den versiegelten Kasten voll Manusscripte und Briefschaften, und Freund Tiedge erfüllt mir gewiß die Bitte, daß er die erste Zeit entweder meine Pflegetochter Mathilde Haupt oder einen unsrer vertrauteren Freunde um sich hat, wenn er meine Briefschaften durchsieht.
Nr. 21. Mit meinen Briefschaften soll folgendermaßen verfahren werden: Finden sich Familienbriefe oder Briefe von Freund Derschau vor, über welche ich nichts bestimmt habe, dann werden diese ungelesen verbrennt. Meines Freundes Friedländers[6] Briefe bekömmt sein Sohn, der Münzensammler, zurück. Viele dieser Briefe sind des Druckes werth. So sind alle Briefschaften, welche auf Cagliostro, auf Stark und auf die Zwecke geheimer Gesellschaften Beziehung haben, werth von Sachverständigen benutzt zu werden. Unter meinen Freunden wären Falkenstein[7] und Professor Chalibäus[8]
- ↑ Der Sohn des Dresdner Oberkapellmeisters Naumann, mit dem Elisa bis zu dessen Tode (1801) innig befreundet war.
- ↑ Fr. Chr. Aug. Hasse, geb. 4. Januar 1773 bei Herzberg, gest. 6. Febr. 1848 in Leipzig, war seit 1803 Prof. der Moral und der Geschichte am Kadettenkorps in Dresden, seit 1828 Prof. der historischen Hilfswissenschaften in Leipzig. Er hatte am Jägerhof gewohnt.
- ↑ Vielleicht ein am Neustädter Markte wohnender Kandidat der Theologie, Carl Gotth. Kaden.
- ↑ Nach Pastor Schmaltz an der Dreikönigs-Kirche benannt.
- ↑ Wahrscheinlich die Gattin des auf der Klostergasse wohnenden Amtshauptmanns Ch. G. von Houwald.
- ↑ Mit David Friedländer, geb. 6. Dezember 1750 in Königsberg, gest 25. Dezember 1839 in Berlin, hatte Elisa in regem Verkehr gestanden. Ein Jünger Moses Mendelssohns, hatte er von 1787–1812 für die Gleichstellung der Juden in Preußen gekämpft. Zahlreiche Schriften des Mannes hatten den Zweck gehabt, seine Glaubensgenossen vom Ceremonialgesetz zu befreien und für die moderne Bildung zu gewinnen.
- ↑ C. K. Falkenstein, geb. 12. Nov. 1801 (wahrscheinlich in Solothurn), gest. 1855 als Oberbibliothekar der Königl. Bibliothek in Dresden. Er wohnte am Neustädter Markt.
- ↑ H. M. Chalybäus, geb. 3. Juli 1796 in Pfaffroda, gest. 1860 als Professor in Kiel. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie war er 1822 Lehrer an der Kreuzschule, 1825 an der Meißner Fürstenschule, seit 1828 Professor am Kadettenkorps in Dresden.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/255&oldid=- (Version vom 30.10.2024)