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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/256

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die Einzigen, die aus den Bruchstücken meiner Briefschaften den Beweis führen könnten, daß die geheimen Gesellschaften des verfloßnen Jahrhunderts, ohne daß die mehresten Theilnehmer es ahneten, von Emissären der Jesuiten geleitet wurden. Auch der edle, interessante Lavater stand, ohne es zu ahnen, unter jesuitischem Einflusse. So lange Freund Tiedge lebt, bleiben alle meine Briefschaften unter dem Verschlusse dieses Freundes, der alle Briefe, die Beziehung auf Mystik haben, unsern Freunden Falkenstein und Chalibäus mittheilen kann, falls diese Freunde aus diesen Bruchstücken darthun könnten, wie unerfahren gutmüthige Seelen, die nach einem höhern Geistesvermögen in religiöser Hinsicht ringen, zum Glauben an das Unglaubliche gebracht werden können. Hofrath Köhlers Briefe aus Petersburg erhält mein edler Freund Professor Hasse zu Leipzig, weil diese Briefe manche interessante Nachrichten für einen Historiker enthalten.

Nr. 22. Meine Tagebücher und Manuscripte bleiben, wie schon gesagt, so lange Tiedge lebt, in dessen Händen. Manches unvollendete Manuscript vernichte der Theure, nachdem er es gelesen oder auch nur durchblättert hat.

Nach Tiedges Tode nimmt Freund Hase alle meine Manuscripte zu sich und kann, wenn es seine Zeit gestattet, lesen, was er lesenswerth hält. . . .

Nr. 23. Die Briefe meiner Wohlthäterin, der hochseligen Kaiserin Catharina, sowie den ersten Theil meiner Tagebücher, abgeschrieben von Pappermanns Hand, hinterlasse ich der Königlichen Bibliothek zu Berlin zum dankbaren Andenken dessen, daß ich Berlin als das Vaterland meines Geistes und Herzens betrachte, weil ich dort unter hochverehrten Freunden und Freundinnen die glücklichsten Tage meines Lebens genossen habe. Ueber meine andern Tagebücher bestimme ich jetzt noch nichts, weil, wenn mein Befinden minder leidend werden könnte, als es seit einigen Monaten gewesen ist, ich gern Auszüge machen möchte. Jedesmal wenn ich meine Tagebücher wieder las, schnitt ich Blätter heraus, auf welchen die Handlungsart so mancher treu dargestellt war, die einen guten Ruf hatten und diesen nicht verdienten. Zu meiner Menschenkenntniß schrieb ich alle meine gemachten Erfahrungen unpartheiisch nieder; da ich aber in meinem Leben die unwürdigen Handlungen meiner Zeitgenossen möglichst zu verschweigen, ihre Fehler zu entschuldigen und die guten Eigenschaften der Fehlenden anzuführen suchte, wenn diese zu scharf beurtheilt wurden; aber in meinen Tagebüchern schrieb ich zu meiner Belehrung treulich meine Ansichten über die Charaktere und die Handlungsart derer hin, mit welchen ich in Berührung kam; daher vernichtete ich so viele Blätter in meinen Tagebüchern, um keinem nach meinem Tode wehe zu thun.

Nr. 24. Nach Tiedges Tode übergiebt Freund Hase die Darstellung meiner Kinderjahre und das Exemplar meines Briefwechsels mit meiner Jugendfreundinn Stolz, abgeschrieben von Pappermanns Hand, der hiesigen Königlichen Bibliothek in der Neustadt, zum Andenken dessen, daß ich in Dresden seit dem Jahre 1819, wo ich hier einheimisch wurde, auch hier Freunde fand, welche durch ihren geist- und gemüthvollen Umgang mein kränkliches Alter versüßten.

Versiegelt übergiebt Freund Hase beide Manuscripte der hiesigen Königlichen Bibliothek mit folgender Ueberschrift: „Erst nach acht Jahren können diese Manuscripte entsiegelt werden und der hiesige Bibliothekar Falkenstein hat das Recht, wenn er beide Manuskripte mit ihren Vorreden des Druckes werth hält, sie drucken zu lassen. Als Freund der Verstorbenen, welcher, seit er in Dresden lebte, ihr Hausfreund war, hatte er die Gelegenheit ihr häusliches Leben zu beobachten und zu beurtheilen, ob dies mit ihren geäußerten Grundsätzen übereinstimme. Die Geschichte ihrer Kindheit schrieb die Selige in reiferen Jahren nieder, auf Bitte ihrer unvergeßlichen Freundin, der verehrungswürdigen Fürstinn Luise von Dessau, welche glaubte, diese Darstellung könnte für nachdenkende Erzieher eine sehr belehrende Schrift werden; so auch stellen der Verstorbenen Briefe an ihre Jugendfreundin es dar, wie der Geist und der Charakter der Heimgegangenen sich durch äußere Verhältnisse so ausbildete, daß ihre Lebensansichten sie zu der Ueberzeugung brachte, daß man in dieser Lebensschule für zwei Welten leben müsse; um mit freudigem Bewußtseyn durch den Tod einem neuen Leben entgegen zu gehen, wo der Mensch einernten wird, was er hier ausgesäet hatte“[1].

Noch ist ein zweites Exemplar meiner Briefe an meine gute Stolz, von meiner Hand geschrieben, vorhanden. Diese Briefe schrieb ich im Jahre 1793 ab, um mein damals tief und schmerzhaft bewegtes Gemüth zu kräftigen, weil mancherlei Seelenkummer mich in dieser meiner Lebensperiode schmerzhaft niederdrückte und ich durch die lebhafte Erinnerung meiner traurig durchlebten Jugend die Kraft erhielt, mit festem Vertrauen auf Gott meine bittere Gegenwart ruhig zu ertragen. Dies von meiner Hand abgeschriebene Manuscript sendet mein treuer Freund Hofrath Hase versiegelt mit der Aufschrift nach Mitau: „Dies Manuscript soll erst acht Jahre nach meinem Tode entsiegelt werden, dann bleibe es das Eigenthum der Bibliothek der Mitauischen literärischen Gesellschaft, und jeder, dem in meinem Vaterlande mein Andenken noch werth ist, hat dann das Recht, die in diesen Briefen enthaltene Geschichte meiner Jugend zu


  1. Ueber die Erfüllung dieser Wünsche siehe Elisa von der Recke II, Tagebücher und Briefe aus ihren Wanderjahren. 1901. S.V.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/256&oldid=- (Version vom 31.10.2024)