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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/313

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Verschiedene: Die zehnte Muse

An ihres Sohnes Bahre

110
Sass wie ein Bild aus Stein

Mit wirrem, weissem Haare
Die Alte ganz allein!

     Ein Wunder ist’s, zu schauen,
Wie sich mit voller Kraft

115
Die ärmste aller Frauen

Urplötzlich aufgerafft,
Wie sie, gestützt am Stabe
Und mehr noch am Gebet,
Von ihres Einz’gen Grabe

120
Zum Tisch des Herren geht.


     Sie lebt noch heutzutage,
Wenn das ein Leben heisst:
Ein Leiden ohne Klage,
Ein Schatten ohne Geist!

125
Mag’s stürmen oder regnen,

Ob’s Eis, ob Blüten schneit,
Im Kirchhof ihr begegnen
Kannst du zu jeder Zeit.

     Sie hält in ihrem Schosse

130
Ein welkes Blatt Papier;

Das Siegel drauf, das grosse,
Das schwarze, zeigt sie dir
Und spricht mit Stolz: »Ich sitze
Hier nicht als Bettlerin;

135
Da drunten liegt mein Fritze,

Der Hofschauspieler, drin!


Franz von Dingelstedt.




Schau’ ich in die tiefste Ferne …

Schau’ ich in die tiefste Ferne
Meiner Kinderzeit hinab,
Steigt mit Vater und mit Mutter
Auch ein Hund aus seinem Grab.

5
Fröhlich kommt er hergesprungen,

Frischen Muts, den Staub der Gruft,
Wie so oft den Sand der Strasse,
Von sich schüttelnd in der Luft.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/313&oldid=- (Version vom 31.7.2018)