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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/287

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Verschiedene: Die zehnte Muse

Armenball.

Der Saal erglänzt in hellem Kerzenschein,
Am Eingang steht: »Ein Ballfest für die Armen«.
Der Schwarm der Gäste wogt in bunten Reih’n,
Der Reichtum zeigt sich heute voll Erbarmen.

5
Von allen heischt man heute Menschlichkeit,

Sie alle wollen Not und Elend mildern;
Von Diamanten leuchtet jed’ Geschmeid,
Es glänzt der Prunk von stolzen Ahnenschildern.

Da tritt in Lumpen und vom Hunger fahl

10
Ein Bettler ein. Schnell nahen die Gendarmen

Und weisen rauh und barsch ihn aus[WS 1] dem Saal –
Am Eingang steht: »Ein Ballfest für die Armen!«


Franz Xaver Seidl.






Mene Tekel.

Sitt’ge Mienen, weisse Schminke,
Greller Diamantenglanz,
Halb verhüllte üpp’ge Glieder
Und ein vornehm-freier Tanz.

5
Tief gesenkte keusche Augen,

Auf den Lippen lockern Scherz
Und französisch-seichte Phrasen,
In der Brust ein leeres Herz;

Schlaffe Züge, welke Lippen

10
Näselnd läppisch-träger Ton,

Pferd’ und Hunde ihre ganze
Wissenschaft und Passion.

Und das lebt so geistverachtend,
Selbstgenügsam sorglos hin,

15
Flammt auch auf den gold’nen Wänden:

Mene tekel upharsin![WS 2]


Ada Christen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ans
  2. Vorlage: npharsin
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/287&oldid=- (Version vom 31.7.2018)