Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Kassierst du einen Rüffel ein,
Verbeug’ dich höchst verbindlich;
Nach oben sich emfindlich.
Drum bleibt er ewig subaltern
Und titellos und ohne Stern,
Indes der Lebenskluge
Bist du erst oben, dann, mein Sohn,
Kannst du dich revanchieren,
Mit Grobheit und mit gift‘gem Hohn
Plebejer kujonieren.
Erquickst du dich durch manchen Tritt
Nach abwärts von der Leiter;
Drum strebe weiter, weiter!
Aschermittwoch.
Streu’ Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Noch hebt erregt vom letzten wilden Tanze
Dein Busen sich, noch strahlt im feuchten Glanze
Bacchantscher Lust dein Blick, auf deinem Munde
Da mischt sich in den Geigen stürmisch Locken
Schon dumpf der Klang der frommen Kirchenglocken,
Und jäh verstummen die Sirenentöne –
Streu’ Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Dass jene, die dort sittsam durch die Strassen
Zur Kirche geh’n, vor wenigen Minuten
Im wilden Taumel dir am Herzen ruhten.
Nun beten sie, dass, wenn die guten Sitten,
Der Himmel doch des sünd’ge Fleisch versöhne –
Streu’ Asche auf dein Haupt, du blonde Schöne!
Die Welt ist feig, denn sie wird alt und prüde,
Weil Jugendkraft und Jugendlust verglühte,
Kann sie die Schönheit unverhüllt ertragen,
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/201&oldid=- (Version vom 31.7.2018)