Zum Inhalt springen

Seite:Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen.pdf/41

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen

Bei der Konstruktion der Transportmittel ist das Einbuffersystem zur Anwendung gekommen. Hierbei ist der elastische Zug- und Stossapparat in einer Vorrichtung vereinigt und zwar dient zum Kuppeln ein Zugeisen, welches nach erfolgter Zusammenschiebung der Fahrzeuge durch einen Bolzen mit der Buffervorrichtung verbunden wird. Zu diesem Zwecke ist die oval geformte Bufferscheibe in der Mitte soweit ausgeschnitten, dass das eingesteckte Zugeisen auch bei der Kurvenfahrt sowohl in der seitlichen als auch in der Höhenrichtung den erforderlichen Spielraum findet. Damit das Zugeisen gegen Verbiegungen geschützt werde, ist die Einrichtung getroffen, dass das Zugeisen beim abgekuppelten Wagen soweit in den Buffer zurückgeschoben werden kann, dass kein Theil gegen den Buffer vorsteht. Zu diesem Zweck haben die beiden Buffer jedes Wagens verschiedene Länge, so dass stets ein langer Buffer mit einem kürzeren zusammentrifft. Der kurze Buffer enthält ein Kuppelbolzenloch, der längere deren zwei.

Sämmtliche Transportmittel sind mit der Heberleinbremse versehen, die bekanntlich von der Maschine aus durch den Lokomotivführer gehandhabt wird. Bei etwa während der Fahrt stattfindenden Zugtrennungen treten sämmtliche im Zuge befindliche Bremsen gleichzeitig und selbstthätig in Wirksamkeit. Dabei ist die Möglichkeit gewahrt, einen einzelnen Wagen, der vom Zuge abgeschoben wird, für sich allein zu bremsen, denn durch einfaches Ausheben und Fallenlassen bezw. Anheben und Einhängen der an der Stirnseite des Wagens befindlichen Bremszugstange kann die Bremse leicht in bezw. ausser Thätigkeit gesetzt werden.

Mit Rücksicht auf die bei den Schmalspurbahnen vielfach vorkommenden scharfen Kurven ist für die zweiachsigen Personen- sowie für die Mehrzahl der Güterwagen das Lenkachsensystem zur Anwendung gebracht worden. Die radial verstellbaren Achsen sind in einem Untergestelle gelagert, welches um einen, über dem Achsmittel sitzenden vertikalen Drehzapfen beweglich ist. Dieses Untergestelle besteht aus einem leichten, aus Winkeleisen hergestellten, viereckigen Rahmen, in dessen Mitte die cylindrisch ausgedrehte Lagerbüchse aus Schmiedeeisen mit eingesetztem Metallfutter befestigt ist, während die Achsgabeln an den Seiten des Rahmengestelles angebracht sind. Die Tragfedern sind an den Langträgern aufgehängt und mit den Achslagerkästen beweglich verbunden, so dass sie an der Bewegung der Achsen theilnehmen, welche letztere in den Kurven, dem Radius entsprechend, vor- oder nacheilen. Diese Federverschiebung wirkt auf die Winkelstellung der Federgehängelaschen in der Weise ein, dass die letzteren durch das Gewicht des Oberkastens in ihre ursprüngliche symmetrische Lage zurückgeführt werden und die Achsen des Fahrzeuges in ihre normale, d. h. unter sich parallele Lage zurückkehren, sobald dasselbe aus der Kurve in die gerade Linie einfährt. Die Drehgestelle sind auf einer Seite durch Stangen und einen doppelarmigen Hebel derart gekuppelt, dass ihre Bewegung stets gleichzeitig und abhängig von einander erfolgt. Die Bremse ist am Drehgestelle des Wagens befestigt. Die Aufhängungspunkte der Bremsrollen derselben nehmen sonach an der Radialstellung der Wagenachse Theil, und da auch die Bremsklötze am Drehgestelle aufgehängt sind, so kann die Wirkung der Bremse nicht nachtheilig auf die radiale Einstellung der Achsen in den Kurven einwirken. Der Nutzen der Lenkachsen liegt nicht nur in der geringeren Abnutzung des Reifen- und Schienenmaterials, sondern auch in der Füglichkeit, ohne Rücksicht auf die Kurvenverhältnisse grössere Radstände zur Anwendung zu bringen, endlich ganz besonders in der Verringerung des Widerstandes der Fahrzeuge in den Kurven.

Die Achsen der sämmtlichen Wagen sind aus Tiegelgussstahl, die Räder zum Theil aus getempertem Stahlguss, zum Theil aus Hartguss hergestellt worden, ausserdem kommen auch schmiedeeiserne Speichenräder mit Bessemerstahlreifen zur Verwendung.

Ein betriebsfähiger Radsatz mit zwei Rädern von 0,5 m Durchmesser wiegt – je nachdem er einer der vorgenannten Gattungen angehört – 138,07 kg (Tempergussstahl), 179,19 kg (Hartguss) oder 219,00 kg (Speichenräder).


2. Lokomotiven.


Auf den schmalspurigen Bahnen kommen Tenderlokomotiven mit drei gekuppelten Achsen und ausserdem auf der Linie Hainsberg-Kipsdorf noch Tenderlokomotiven nach Fairlie’s Patent zur Verwendung.

Die Tenderlokomotiven mit 3 gekuppelten Achsen sind in der Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz erbaut, haben eine Gesammtlänge zwischen den Buffern von 5,630 m, einen Radstand von 1,8 m und einen Treibraddurchmesser von 750 mm. Der Achsendurchmesser an der inneren Nabenfläche (im Lager) beträgt 105 mm. Eine solche Lokomotive wiegt leer 12,45 t, während im betriebsfähigen Zustande die Vorderachse mit 5,36 t, die Mittel- und Hinterachse mit je 5,82 t belastet ist, so dass das gesammte Adhäsionsgewicht 16 t beträgt.

Die Grösse der Heizfläche beträgt im Feuerkasten 3,11 qm, in den Rohren 26,61 qm, die der Rostfläche 0,66 qm. Die horizontalen Cylinder haben einen Durchmesser von 240 mm und einen Kolbenhub von 380 mm. Der zulässig höchste Ueberdruck des Dampfes im Kessel beträgt 12 Atmosphären.

Die Lokomotiven haben aussenliegende Allan’sche Steuerung mit Klemmhebel und eine Wurfhebelbremse, die auf die hinteren Räder wirkt. Die Wasserbehälter von 1,5 cbm Fassungsraum befinden sich an den Seiten sowie unterhalb des Langkessels. Der Kohlenraum hat 0,60 cbm Inhalt. Die Lokomotiven sind mit einem Dampfläutewerk, einer Dampfleitung mit normaler Kuppelung zur direkten Wasserhebung, einer Haspel für die Heberleinbremse und einem Hohlfeld’schen Funkenfänger ausgerüstet.

Die Anschaffungskosten betrugen mit Einschluss der Ausrüstung 16 891 bis 18 200 ℳ (Taf. I.)

Die Tenderlokomotiven nach dem System Fairlie sind mit Doppelkessel und vier Cylindern ausgerüstet und haben 2 ✕ 2 gekuppelte Achsen. Sie sind von R. & W. Hawthorn in Newcastle upon Tyne erbaut. Die Gesammtlänge zwischen den Buffern beträgt 9,2 m, die grösste Breite 2,14 m und die Höhe 3,0 m von Schienenoberkante. Der äussere Radstand beträgt 5,688 m, der Radstand zwischen je zwei gekuppelten Achsen 1,372 m und der Treibraddurchmesser 813 mm.

Eine solche Lokomotive wiegt leer 22,30 t; im betriebsfähigen Zustande ist jede Achse mit 7,225 t belastet, so dass das gesammte Adhäsionsgewicht 28,90 t beträgt. Der Kessel hat doppelte Heizungseinrichtung. Die Heizfläche ist in den Feuerbüchsen 5,96 qm, in den 2 ✕ 97 Siederohren 51,82 qm, die Gesammtheizfläche ist sonach 57,78 qm gross. Dabei beträgt die Grösse der Rostfläche 1,16 qm. Die vier horizontalen Cylinder liegen aussen, haben einen Durchmesser von 216 mm und einen Kolbenhub von 355 mm. Der Ueberdruck im Kessel beträgt 10 kg pro Quadratcentimeter; die Wasserbehälter besitzen für 2,88 cbm und die Kohlenräume für 950 kg = 1,10 cbm Fassungsraum. (Taf. II.)


3. Personenwagen.


Die Personenwagen haben an jeder Stirnseite eine geräumige Plattform und sind im Innern mit Sitzplätzen an den beiden Langseiten versehen. Durch diese Einrichtung wird eine Verbindung unter sämmtlichen Personenwagen eines Zuges hergestellt. Schiebethüren gestatten das Oeffnen und Schliessen der Wagen, ohne die auf den Plattformen stehenden Personen zu belästigen. Die Plattformen sind überdacht und durch einen Auftritt bequem zugänglich, sie bieten für drei Personen Stehplätze und sind seitwärts nach Aussen durch bewegliche Eisenstangen abgeschlossen.

Jeder Wagen trägt fast in der ganzen Länge des Kastens einen Oberlicht-Aufbau mit seitlichen Klappfenstern, die dem

Empfohlene Zitierweise:
Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen. Druck von H. S. Hermann, Berlin 1886, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sekund%C3%A4r-Eisenbahnen_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen.pdf/41&oldid=- (Version vom 25.2.2025)