übrigens, das selber wie gegorene Tränen schmeckt. Schließlich lagen wir einander in den Armen, immer einander in den Armen, küßten uns auf Stirn, Mund, Nase, wohin’s immer gerade traf und vermählten unsere Tränen miteinander. Trotz meiner Betrunkenheit wußte ich es im Verlaufe von etwa einer Stunde, während der ich Russen beiderlei Geschlechtes und aller Fakultäten überall hingeküßt hatte, so einzurichten, daß ich am Busen meines Bernstein-Idols landete. O Sinaïde! lallte ich dabei, wie zwei hüpfende Lämmer sind deine Brüste, die wie Mondstein leuchten, auf den der Mondschein scheint. Aber deine Nase ist eine Nardenbüchse, gen Osten gerichtet, und dein Mund besteht aus zween Tuberosenblättern, aber roten, wenn ich bitten darf, während hingegen deine Nasenlöcher vergleichbar sind den Rosinenkernen im Hochzeitskuchen der Königin von Saba, und von deinen Achseln her ein Rüchlein kommt wie aus Zimmetwäldern. Ja, Sinaïde, Europa reitet auf dem Stier der Brutalität in den Despotismus, aber die grüne Mütze der Weltfreiheit
Otto Julius Bierbaum: Die Haare der heiligen Fringilla. München: Albert Langen, 1904, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Haare_der_heiligen_Fringilla.djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)