Sie ist weder mit einer Rose, noch mit einer Lilie, vielmehr mit einem rothangeglühten, sammetweichen Pfirsich zu vergleichen. In ihrer rechten Hand trägt die reizende Curtisane ein Windfähnchen; vielleicht um zu wissen, woher der Wind weht, vielleicht auch, um ihren leichten Sinn damit anzudeuten. Nachlässig hängt ihre Linke herunter und hebt das Gewand ein wenig in die Höhe. Ein guter Italiener versteht dieses Zeichen und schleicht ihr nach. Ihre Augen brennen, ihre Lippen glühen, und süße, verborgene Gluthen röthen ihren Teint.
Tizian wußte das Alles zu schätzen; vielleicht auch sie, ihn zu taxiren.
Es ist ein schönes, rosiges, schwermüthiges Gesicht, ein süßer Schmerz legt sich weich um ihren königlichen Mund. Sie kann uns an Maria Stuart oder an Christine von Spanien erinnern. Die armen Frauen, welche auf den Thron das Herz mitnehmen wollen, dorthin, wo nur die kalte Klugheit und die Gewalt ruhig thronen können!
Solche rücksichtslose Gesichter, auf welchen sich der Fanatismus der Staatsidee ausgeprägt hat, taugen
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/52&oldid=- (Version vom 31.7.2018)