dann, als sie sich überzeugt hatte, daß ich wirklich alles wußte, meine Hand und flüsterte mit bebender Stimme:
,Petja, das ist gemein… Ich flehe Sie um Gottes willen an… Seien Sie ein Mann… sagen Sie niemand was… Anständige Leute spionieren nicht… Das ist gemein… Ich flehe Sie an…’
Die Aermste fürchtete meine Mutter, eine gestrenge und tugendhafte Dame, wie Feuer – erstens; zweitens mußte meine grinsende Fratze das Gefühl ihrer ersten reinen und poetischen Liebe profanieren; Sie können sich daher ihre Gemütsstimmung wohl vorstellen! Dank mir schlief sie die ganze Nacht nicht und kam zum Morgentee mit blauen Ringen unter den Augen… Als ich nach dem Tee Sascha begegnete, hielt ich es nicht aus und prahlte schmunzelnd:
,Ich weiß! Ich habe gesehen, wie du gestern Fräulein Zina geküßt hast.’
Sascha sah mich an und sagte:
,Du bist dumm.’
Er war nicht so kleinmütig wie Zinotschka, und der Effekt gelang mir daher nicht. Das reizte mich aber noch mehr. Wenn Sascha nicht erschrak, so glaubte er augenscheinlich nicht daran, daß ich alles gesehen hatte: Warte! dachte ich, ich werde es dir schon beweisen…
Während der Vormittagsstunden sah Zinotschka mich nicht an und stotterte. Anstatt mich kurzerhand zu bestrafen und einzuschüchtern, suchte sie sich bei mir auf jede Weise einzuschmeicheln, stellte mir die besten Noten und klagte dem Vater nicht meine Unarten. Da ich eben klüger war, als ich aussah, so beutete ich das Geheimnis auf jede Weise aus: ich machte meine Aufgaben nicht, schlug im Klassenzimmer Rad und sagte ihr Frechheiten. Mit einem Wort, wäre das damals
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/046&oldid=- (Version vom 31.7.2018)