Mama das erfährt, werden sie beide nicht leer ausgehen. Da ich eine Art unbewußter Scham empfand, ging ich, ohne das Ende des Rendezvous abzuwarten, wieder zurück ins Kinderzimmer. Weil ich nun, wie gesagt, gescheiter war als ich aussah, so saß ich über meinem Aufgabenbuch und dachte und grübelte. Auf meiner Fratze schwamm ein triumphierendes Grinsen. Einerseits war es angenehm, im Besitz eines fremden Geheimnisses zu sein, andererseits war auch das Bewußtsein, daß solche Autoritäten wie Sascha und Zinotschka von mir jetzt jederzeit der Unkenntnis der elementarsten Anstandsregeln bezichtigt werden können – nicht unangenehm. Jetzt sind sie in meiner Macht, und ihre Ruhe hängt durchaus von meiner Großmut ab. Ich werde es ihnen schon zeigen!
Als ich schlafen ging, kam Zinotschka wie gewöhnlich herein, um sich zu überzeugen, ob ich gebetet hatte und nicht vielleicht in den Kleidern eingeschlafen war. Ich sah ihr hübsches, glückliches Gesicht und schmunzelte. Das Geheimnis schwoll und drängt heraus. Ich mußte eine Anspielung machen, um mich an dem Effekt zu weiden.
,Ich weiß!’ sagte ich grinsend. ,O – o – o!’
,Was wissen Sie?’
,O – o! Ich habe gesehen, wie Sie sich bei den Weiden mit Sascha geküßt haben… Ich ging Ihnen nach und sah alles…’
Zinotschka zuckte zusammen, wurde rot und, von meiner ,Anspielung’ getroffen, sank sie auf den Tisch, auf dem das Wasserglas und der Leuchter standen.
,Ich habe gesehen, wie Sie sich… geküßt haben…’ wiederholte ich kichernd und mich an ihrer Verlegenheit weidend… ,Aha! Ich werde es Mama sagen!’
Zinotschka sah mich längere Zeit kleinmütig an, ergriff
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/045&oldid=- (Version vom 31.7.2018)