Deutschland, abgesehen etwa von den Reichsstädten, die landesherrliche Gewalt mehr und mehr bestrebt war, die alten Freiheiten zu beseitigen und namentlich die Gerichtsbarkeit allein zu üben, behielten die westfälischen Bauern ihr angestammtes Volksgericht und dessen Unmittelbarkeit unter Kaiser und Reich. Der Vorsitzende des Gerichts war kaiserlicher Bevollmächtigter, Karolingischer Graf, und nannte sich, weil er das Grafenamt bei dem Gericht der Freigebliebnen übte, zur Auszeichnung vor andern Grafen: Freigraf; und so hießen die Schöffen am Freistuhl: Freischöffen. Der oberste Stuhlherr, welcher die Gerichtsbarkeit dem Grafen zu Lehen gab, war der Kaiser. Doch übertrug er späterhin die Stuhlherrschaft an den Erzbischof von Köln, welcher fortan die kaiserliche Statthalterschaft über alle Freigerichte in Westfalen besaß.
Solcher Freistühle nun gab es in Westfalen eine große Anzahl. Sie standen meist an den uralten deutschen Malstätten, die schon Karl der Große vorgefunden, in der Regel unter einem alten Baum, einer Linde, einem Hagedorn (Beerboom) und dergleichen, auf einer Anhöhe, von wo aus der Freigraf nicht nur die den Stuhl zunächst umgebenden
Oskar Wächter: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland. W. Spemann, Stuttgart 1882, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Vehmgerichte_und_Hexenprozesse_in_Deutschland_W%C3%A4chter.djvu/064&oldid=- (Version vom 31.7.2018)