ihnen versagte. Er begeisterte sich an seinem eigenen Gedankengang, sein farbloses Gesicht überzog sich mit einer ganz feinen bläulichen Röte, und in seinen verschleierten Augen entzündete sich ein stilles Licht.
„Sie sind prädestiniert, dies Werk zu schaffen: Getränkt mit Weimars Erinnerungen, erzogen in Weimars Geist, geleitet von dem unfehlbaren Takt der Aristokratin,“ sagte er, indem er sich erhob und mir die Hand reichte. „Von Ihnen brauche ich keine jener widerwärtigen Enthüllungen zu fürchten, die die Kunst beschmutzen, das Leben vergiften. Meine Archive stehen Ihnen offen; dasselbe glaube ich auch im Namen der Großherzogin versprechen zu dürfen. Ich hoffe, Sie oft zu sehen – –“
Zu einer Antwort ließ er mir keine Zeit mehr, – daß ich nicht nein sagen könnte und dürfte? war ihm selbstverständlich. Ich hatte mich nur noch tief und dankbar zu verneigen.
Und immer enger spann sich Weimars Zaubernetz mir um Geist und Sinne. Mit offenen Armen, wie eine Heimkehrende, ward ich überall aufgenommen. Während langer Audienzen besprach die Großherzogin meine Arbeit im Goethe-Archiv mit mir. Sie blieb stets in jedem Wort und jeder Bewegung die unnahbare Fürstin, und doch lag ein mütterlicher Ausdruck auf ihren Zügen, wenn ich eintrat. Der kleine, derbe Erbgroßherzog, in allen Stücken das Gegenteil seines Vaters, glich ihm mir gegenüber in der Freundlichkeit, die durch seinen breiten Weimarer Dialekt und seine mit einer gewissen Absichtlichkeit übertriebene Verachtung aller Form noch um einen Schein herzlicher war, und seine gute, dicke Frau, die gewiß eine prächtige Landpastorin abgegeben
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/485&oldid=- (Version vom 31.7.2018)