Mit verschlungenen Armen liefen die Freundinnen die Treppe hinunter, in die Eßstube, wo der Geburtstagstisch zwischen zwei Fenstern ihnen entgegenleuchtete, denn der älteste Bruder hatte grade, als er die Mädchen draußen hörte, die siebenzehn Lichter um die Torte angezündet.
„Guten Morgen, mein altes Zebra“, sagte der Tertianer Paul, der dritte in der Reihe der fünf hellblonden, dünn aufgeschossenen Severins; „ich schenk’ Dir diesen Fingerhut; wenn er zu weit ist, kann ich ihn umtauschen.“
„Ach, wie reizend, Perlmutter!“ rief Adelheid, die in ihrem braun und weiß gestreiften Morgenkleide schon ganz wie ihre Mama im kleinen aussah.
„Paul, wähle doch nicht immer solche zoologische Bilder“ sagte August, der älteste, der schon Comptoirist in einem großen Bankgeschäft war, „Adelheid, ich erlaube mir, Dir mit diesem Regenschirm unter die Arme zu greifen; eine Beschirmung ist immer nothwendig für junge Mädchen, finden Sie nicht auch, Annita, und wenn man nicht immer alles selber thut.“ – Er strich sich süß lächelnd die sprossenden Koteletten.
Annita starrte ihn an. August sieht eigentlich doch mal dumm aus, dachte sie, wenn er nicht so furchtbar gut und nett wäre – –
Max, der sich augenblicklich in der Einjährigenpresse befand, zog mit langem Gesicht die Uhr: „Je,
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/215&oldid=- (Version vom 31.7.2018)