sagen Kind, Du mußt Adelheid ihre Flickstunde mitnehmen, und zum Frühjahr könnt Ihr zum Plättkursus in die Gewerbeschule gehn. All die Grappen und Mucken im Kopf, die locken keinen Hund hinterm Ofen raus, und wir sind einfache Leute, Papa muß arbeiten, ich muß arbeiten, die Jungens müssen arbeiten, Adelheid muß ihr Theil thun. Ich bin je auch nich so, ich les’ je gern beim Stricken, die Marlitt is ganz nett so weit, und die Heimburg is noch netter, da könnt ihr nichts Schlechtes aus lernen. Und Galen schrieb auch sehr schön, aber das war mehr früher, und Ihr müßt nich denken daß ich prosaisch bin. Zum Beispiel Julius Sturm, den seine Gedichte sind so niedlich – ach, Ihr seid je noch Kiekindiewelts, Ihr müßt noch viel lernen, eh’ Ihr mal’ ’n Hausstand führen könnt!“
Dieser Vorfall hatte die Freundinnen enger verbunden, Annita machte keine Bemerkungen mehr über Frau Severin, und die gute Dame hatte das mutter- und geschwisterlose Mädchen, dessen Vater sehr viel auf Reisen war, wie ihre eigene Tochter ans Herz genommen.
Eben erscholl ihre etwas weinerliche Stimme vor der Thür der säumigen Mädchen. „Aber so kommt doch endlich! Ich lauf’ immerlos mit der Chokoladenkanne wieder in die Küche! Nita, mußt mal ’n büschen nachpökern! Die Jungens müssen je weg, und sie wollen Dir doch vorher gratuliren, Adelheid.“
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/214&oldid=- (Version vom 31.7.2018)