und das Blut in Deine Wangen zurückkehrt. Ich habe Dich ja so lieb, so lieb und meine Sehnsucht ist so riesengroß, daß es mir scheint, als könnte ich sogar all die häßlichen Heimlichkeiten verborgener Liebe ertragen!
Werde ich Dich morgen bei Herrn von Puységur sehen, der, wie er mir sagte, eine neue Somnambule entdeckt hat, die „erstaunlich“ sein soll, und übermorgen bei Frau von Staël, die in einem neuen Gesellschaftsspiel ihren Geist leuchten lassen will?
Nie sahst Du so entzückend aus, Holdselige, als gestern: die süße kleine Marquise mit den zarten Händen und Füßen und der feinen Taille, aus der der Busen wie eine Rose aus dem Kelch schimmernd emporsteigt, neben der neuen Gesandtin Schwedens mit den starken Knochen, dem breiten Gesicht, den forschenden Augen, in einem Gewand, das halb eine Mönchskutte, halb ein griechisches Peplon schien. Selbst Guibert, der die ehrgeizige Tochter Neckers als die Aspasia Frankreichs feierte, und seine Bewunderung für die ganze Familie sogar in seine Eintrittsrede unter die Akademiker einflocht, um die Erinnerung an seine frühere Stellungnahme ganz zu verwischen, war einen Augenblick lang wie benommen, als er Dich sah.
„Sie sind ein Sammler von Zeitdokumenten, Herr Graf,“ sagte ihm beim Ausgang Herr von
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/398&oldid=- (Version vom 31.7.2018)