erscheinen zu lassen. Wir dürfen uns vor allem
Eins nicht verhehlen: der König folgt in seinen
Handlungen keinerlei festem Plan, sondern teils
seiner Laune, teils den Ratgebern, die ihm im
Moment das Meiste versprechen. Diese Tatsache
bietet uns freilich die Gewähr, daß auch Turgot
sich über kurz oder lang beseitigen läßt, aber –
dessen fürchte ich sicher zu sein – nur um durch neue
vorübergehende Experimente ersetzt zu werden.
Vorläufig sucht der König sein Heil noch darin,
den Freidenkern und Ökonomisten Konzessionen
zu machen. Man spricht sogar davon, daß Herr
von Malesherbes in das Ministerium berufen werden
soll, der der offene Beschützer und Parteigänger
der Leute vom Schlage der Herren d'Alembert,
Diderot e tutti quanti ist. Die einzige Stütze
für uns ist der ehemalige Polizeileutnant Sartine,
der aber leider auch durch Frau von Maurepas’
Boudoir den Weg zu seinem Posten als Marineminister
gefunden hat. Sein augenblickliches Verdienst
ist die geschickte Inszenierung der Brotrevolten,
die Turgots Ansehen nicht wenig erschüttert
haben.
Die schwankende Haltung des Königs ist jedoch nicht das einzige, was zu schweren Befürchtungen Anlaß gibt. Die Konflikte mit England nahmen leider in Verbindung mit den amerikanischen Unruhen eine drohende Gestalt an, umsomehr, als der König gewissenlosen Einbläsern ein geneigtes
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/142&oldid=- (Version vom 31.7.2018)