schwerfällige Geist der Gäste des Neckerschen
Hauses an jeder Einzelheit kleben bleibt wie Raupen,
die sich einspinnen wollen. Hat man es selbst
im Salon der Marquise Dudeffant je gehört, daß
Frauen sich über die Fragen der Getreideausfuhr,
der Preßfreiheit, der ostindischen Bank, der amerikanischen
Vermittelungen echauffieren? Es
nimmt mich nicht wunder, daß im Kreise der
Madame Necker der Plan auftauchen konnte, Herrn
von Voltaire ein Denkmal zu setzen, obwohl er
vom Poeten so weit entfernt ist, wie der berüchtigte
Abbé Galiani vom Priester.
Trotz alledem, meine schöne Marquise, müssen wir klug genug sein, diese Situation zu benutzen, und ich würde auch Ihnen raten, bei Ihrem hoffentlich nunmehr gesicherten Hiersein den Salon Necker zu frequentieren, denn er ist der Herd der Feindschaft gegen das Ministerium Maurepas und mindestens so einflußreich als die Königin, auf die wir uns natürlich in erster Linie stützen müssen.
Sie hatte leider nicht die Gnade, mich in privater Audienz zu empfangen. Ich sah sie nur bei Gelegenheit einer offiziellen Festlichkeit in Versailles, ihre unbeschreibliche Lieblichkeit würde mich ganz bezaubert haben, wenn ich nicht inzwischen von der Schönheit einer Ihnen nicht unbekannten Dame selbst für den Reiz der Königinnen unempfindlich geworden wäre! Graf Chevreuse, ihr getreuester Kavalier, – er gehört zu den wenigen
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/139&oldid=- (Version vom 31.7.2018)