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Seite:De Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes (Möbius).djvu/52

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relativ dürftigen Erfahrungen reichen Gewinn zu ziehen, besonders dann, wenn sie es verstehen, die Erfahrungen Anderer richtig zu benutzen. Kant ist z. B. ein vorzüglicher Beurtheiler, obwohl seine Erfahrung nicht gross gewesen sein kann. Auch Der, der reich an Erfahrung ist, wird sich nicht auf diese allein verlassen, sondern wird sich nach Kräften die Erfahrungen Anderer zu Nutze machen. So verfährt denn auch Jeder unwillkürlich. Nur sollte man bei Benutzung der Literatur nie die Frage vergessen, ob der Schreibende durch seine Umstände in dem hier verwendeten Sinne begünstigt war. Schriften von Tendenz-Menschen sind von vornherein verdächtig, ergiebt es sich nun gar, dass es mit der Erfahrung schlecht stand, so wird man wissen, woran man ist; man wird die Urtheile von Stuart Mill, von Bebel und andern verblendeten Theoretikern nicht höher schätzen, als sie es verdienen. –

Die Sache mit dem Gehirngewichte ist so. Th. L. W. von Bischoff[1], Professor der Anatomie in München, wog


  1. Das Gehirngewicht des Menschen. Bonn 1880. 8°. 171 SS. u. Tabellen. Wer etwas näheres wissen will, muss das vorzügliche Werk selbst lesen; er wird sich dann der leichtfertigen Bestreitung Bischoff’s schämen. Es ist, nebenbei gesagt, eine Schande, wenn man sich jetzt noch auf die Aussagen des Prof. Brühl beruft. Hier will ich nur noch ein paar Angaben Bischoff’s wiedergeben. „Wir müssen daher für die somatischen Functionen des Gehirns bei beiden Geschlechtern einen relativ gleichen Gewichtsantheil desselben in Anschlag bringen und die Gewichtsdifferenz beider Gehirne daher nach dieser Berücksichtigung lediglich auf die psychischen Functionen des Gehirnes beziehen“. „Nach den übereinstimmenden Angaben aller Beobachter ist bei allen bis jetzt bekannten Rassen und Nationen der Menschen das mittlere Hirngewicht erwachsener Männer ansehnlich grösser als das der Weiber … Diese Thatsache der bedeutenden Gewichtsdifferenz zwischen dem männlichen und weiblichen Gehirn, zu welcher die andere hinzukommt, dass die minimalen Hirngewichte nur bei Weibern, die maximalen nur bei Männern vorkommen, ist bei ihrer universellen, ausnahmslosen Gültigkeit, der keine andere auf dem ganzen Gebiete der Gehirngewichtslehre gleichkommt, von der grössten Bedeutung“.
    Für den zweiten Theil meines Aufsatzes ist folgendes Ergebniss wichtig. Die Zunahme des Hirngewichtes „erreicht bei den Männern zwischen dem 20.–30. Jahre, bei den Weibern bis zum 20. Jahre ihr Maximum, während bei den Weibern zwischen dem 50. und 60., bei den Männern zwischen dem 60. und 70. Lebensjahre eine steigende Abnahme erfolgt“.
    Neuerdings sind Bischoff’s Ergebnisse durch die Marchand’s bestätigt worden, (Ueber das Hirngewicht des Menschen. Biolog. Centralblatt XXII. 12. 1902.)
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/52&oldid=- (Version vom 31.7.2018)