unzähligen Punkten des Baues und der Constitution, sowohl von grösserer als von der allergeringfügigsten Bedeutung, die Rudimente, welche er behalten hat, und die abnormen Fälle von Rückschlag, denen er gelegentlich unterliegt, – dies sind Thatsachen, welche nicht bestritten werden können. Sie sind lange bekannt gewesen, aber bis ganz vor Kurzem sagten sie uns in Bezug auf den Ursprung des Menschen nichts. Wenn wir sie aber jetzt im Lichte unserer Kenntniss der ganzen organischen Welt betrachten, so ist ihre Bedeutung gar nicht miszuverstehen. Das grosse Princip der Entwickelung steht klar und fest vor uns, wenn diese Gruppen von Thatsachen in Verbindung mit anderen betrachtet werden, mit solchen wie der gegenseitigen Verwandtschaft der Glieder einer und der nämlichen Gruppe, ihrer geographischen Vertheilung in vergangenen und jetzigen Zeiten und ihrer geologischen Aufeinanderfolge. Es ist unglaublich, dass alle diese Thatsachen Falsches aussagen sollten. Jeder der nicht, wie ein Wilder, damit zufrieden ist, die Erscheinungen der Natur als unverbunden anzusehen, kann nicht länger glauben, dass der Mensch das Werk eines besonderen Schöpfungsactes ist. Er wird gezwungen sein zuzugeben, dass die grosse Aehnlichkeit des Embryos des Menschen mit dem z. B. eines Hundes, – der Bau seines Schädels, seiner Glieder und seines ganzen Körpers, nach demselben Grundplane wie bei den anderen Säugethieren und zwar unabhängig von dem Gebrauche, welcher etwa von den Theilen gemacht wird, – das gelegentliche Wiedererscheinen verschiedener Bildungen, z. B. mehrerer verschiedener Muskeln, welche der Mensch normal nicht besitzt, welche aber den Quadrumanen zukommen – und eine Menge analoger Thatsachen – dass alles dies in der offenbarsten Art auf den Schluss hinweist, dass der Mensch mit anderen Säugethieren der gemeinsame Nachkomme eines gleichen Urerzeugers ist.
Wir haben gesehen, dass der Mensch unaufhörlich individuelle Verschiedenheiten in allen Theilen seines Körpers und in seinen geistigen Eigenschaften darbietet. Diese Verschiedenheiten oder Abänderungen scheinen durch dieselben allgemeinen Ursachen herbeigeführt worden zu sein und denselben Gesetzen zu gehorchen, wie bei den niederen Thieren. In beiden Fällen herrschen ähnliche Gesetze der Vererbung. Der Mensch strebt sein Geschlecht in einem grösseren Maasse zu vermehren als seine Subsistenzmittel. In Folge dessen ist er gelegentlich einem heftigen Kampfe um die Existenz ausgesetzt, und natürliche Zuchtwahl wird bewirkt haben, was nur immer innerhalb ihrer Wirksamkeit
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/378&oldid=- (Version vom 31.7.2018)