an den Ohren sämmtlich beim Männchen der Portax picta viel deutlicher sind als beim Weibchen, – wenn wir sehen, dass die Farben bei dem männlichen Oreas derbyanus viel lebhafter, dass die schmalen weissen Linien an den Flanken und die breiten weissen Balken an der Schulter deutlicher sind als beim Weibchen, – wenn wir eine ähnliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern der so merkwürdig verzierten Art Tragelaphus scriptus (Fig. 70) sehen, so können wir nicht annehmen, dass Verschiedenheiten dieser Art beiden Geschlechtern in ihrer täglichen Lebensweise von irgendwelchem Nutzen sind. Ein viel wahrscheinlicherer Schluss scheint der zu sein, dass die verschiedenartigen Zeichnungen zuerst von den Männchen erlangt, dass ihre Färbungen durch geschlechtliche Zuchtwahl intensiver geworden sind und dann theilweise auf die Weibchen überliefert wurden. Wird diese Ansicht angenommen, dann kann man nur wenig daran zweifeln, dass die gleichmässigen eigenthümlichen Färbungen und Zeichnungen vieler anderen Antilopen, trotzdem sie beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen, in einer gleichen Weise erlangt und überliefert wurden. So haben z. B. beide Geschlechter der Kudu-Antilope (Strepsiceros kudu, Fig. 64, S. 238) schmale weisse senkrechte Linien an dem hinteren Theile ihrer Flanken und eine elegante winkelige weisse Zeichnung an ihrer Stirn. Beide Geschlechter der Gattung Damalis sind sehr merkwürdig gefärbt. Bei D. pygarga sind der Rücken und Hals purpurartig roth, schattiren an den Seiten in Schwarz ab und sind dann von dem weissen Bauche und einem grossen weissen Flecke auf der Kruppe scharf abgesetzt. Der Kopf ist noch merkwürdiger gefärbt. Eine grosse oblonge weisse, schmal mit Schwarz geränderte Larve bedeckt das Gesicht bis herauf zu den Augen (Fig. 71); auf der Stirn finden sich drei weisse Streifen und die Ohren sind mit Weiss gezeichnet. Die Kälber dieser Species sind von einem gleichförmigen blassen Gelblichbraun. Bei Damalis albifrons weicht die Färbung des Kopfes von der letzterwähnten Species darin ab, dass hier ein einziger weisser Streif die drei Streifen ersetzt und dass die Ohren beinahe vollständig weiss sind.[1] Nachdem ich, soweit ich es nach meinen besten Kräften zu thun im Stande war, die geschlechtlichen Verschiedenheiten zu allen Classen gehöriger Thiere studirt habe, konnte
- ↑ s. die schönen Tafeln in Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa und Dr. Gray’s Gleanings from the Menagerie of Knowsley.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/293&oldid=- (Version vom 31.7.2018)