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Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/170

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dass bei vielen Vögeln, welche offene Nester bauen, die Männchen ebensogut wie die Weibchen auf den Eiern sitzen und letztere bei dem Ernähren der Jungen unterstützen. Dies ist z. B. der Fall bei Pyranga aestiva,[1] einem der glänzendsten Vögel in den Vereinigten Staaten: das Männchen ist scharlachroth, das Weibchen hellbräunlich-grün. Wenn nun brillante Färbungen für Vögel, während sie auf ihren offenen Nestern sitzen, äusserst gefährlich wären, so würden in diesen Fällen die Männchen bedeutend gelitten haben. Es kann indessen für das Männchen von einer so capitalen Bedeutung sein, brillant gefärbt zu werden, um seine Rivalen zu besiegen, dass etwaige weitere Gefahren hierdurch mehr als ausgeglichen werden.

Mr. Wallace gibt zu, dass bei den Königskrähen (Dicrurus), Golddrosseln (Orioli) und Prachtdrosseln (Pittidae) die Weibchen auffallend gefärbt sind und doch offene Nester bauen. Er betont aber, dass die Vögel der ersten Gruppe in hohem Grade kampfsüchtig sind und sich selbst vertheidigen können, dass diejenigen der zweiten Gruppe äusserste Sorgfalt darauf verwenden, ihre offenen Nester zu verbergen; doch gilt dies nicht für alle Fälle ohne Ausnahme;[2] und dass bei den Vögeln der dritten Gruppe die Weibchen hauptsächlich an der Unterfläche glänzend gefärbt sind. Ausser diesen Fällen bietet die ganze grosse Familie der Tauben, welche zuweilen hell und beinahe immer auffallend gefärbt sind und welche notorisch den Angriffen von Raubvögeln sehr ausgesetzt sind, eine bedenkliche Ausnahme von der Regel dar; denn Tauben bauen beinahe immer offene und exponirte Nester. In einer anderen grossen Familie, der der Colibri's, bauen alle Species offene Nester, und doch sind bei einigen der prachtvollsten Species die Geschlechter einander gleich, und in der Majorität der Arten sind die Weibchen, wenn auch weniger brillant als die Männchen, aber doch hell gefärbt. Auch kann nicht behauptet werden, dass alle weiblichen Colibris, welche hell gefärbt sind, dadurch der Entdeckung entgehen, dass ihre Farbentöne grün sind; denn einige entfalten auf ihrer oberen Fläche rothe, blaue und andere Färbungen.[3]


  1. Audubon, Ornithological Biography. Vol. I, p. 233.
  2. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 108. Gould's Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 463.
  3. So hat z. B. die weibliche Eupetomena macroura einen dunkelblauen Kopf und Schwanz und röthliche Weichen; die weibliche Lampornis porphyrurus ist schwärzlich-grün auf der obern Fläche und hat Zügel und Seiten der Kehle carmoisin; die weibliche Eulampis jugularis hat den Scheitel des Kopfes und den Rücken grün, aber die Weichen und der Schwanz sind carmoisin. Es liessen sich noch viele andere Beispiele von in hohem Grade auffallenden Weibchen anführen, s. Mr. Gould's prachtvolles Werk über diese Familie.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)