oder weniger streng in ihrer Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt waren — als durch die Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl, dass nämlich die Länge des Schwanzes in einem grösseren oder geringeren Grade für die Weibchen der verschiedenen Species schädlich geworden wäre.
Wir können nun Mr. Wallace's Argumente in Bezug auf die geschlechtliche Färbung der Vögel betrachten. Er glaubt, dass die ursprünglichen von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangten glänzenden Farben in allen oder beinahe allen Fällen auf die Weibchen überliefert worden wären, wenn diese Uebertragung nicht durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden wäre. Ich will hier den Leser daran erinnern, dass verschiedene auf diese Ansicht sich beziehenden Thatsachen bereits in dem Abschnitte über Reptilien, Amphibien, Fische und Lepidoptern gegeben worden sind. Mr. Wallace gründet seine Ansicht hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, wie wir im nächsten Capitel sehen werden, auf die folgende Angabe,[1] dass, wenn beide Geschlechter in einer sehr auffallenden Weise gefärbt sind, das Nest von einer solchen Natur ist, dass es die auf den Eiern sitzenden Vögel verbirgt, dass aber, wenn ein ausgesprochener Contrast der Farbe zwischen den Geschlechtern besteht, wenn das Männchen hell und das Weibchen düster gefärbt ist, das Nest dann offen ist und die auf den Eiern sitzenden Vögel den Blicken aussetzt. Dieses Zusammentreffen unterstützt, soweit es vorkommt, sicherlich die Annahme, dass die Weibchen, welche auf offenen Nestern sitzen, zum Zwecke des Schutzes speciell modificirt worden sind; wir werden aber sofort sehen, dass es noch eine andere und wahrscheinlichere Erklärung gibt, nämlich die, dass auffallend gefärbte weibliche Vögel häufiger als trübe gefärbte den Instinct erlangt haben, kuppelförmige Nester zu bauen. Mr. Wallace gibt zu, dass, wie sich hätte erwarten lassen, einige Ausnahmen von diesen seinen beiden Regeln existiren; es ist aber die Frage, ob die Ausnahmen nicht so zahlreich sind, dass die Regeln ernstlich erschüttert werden.
An erster Stelle liegt in der Bemerkung des Herzogs von Argyll[2] viel Wahres, dass ein grosses kuppelförmiges Nest einem Feinde viel auffälliger ist, besonders allen auf Bäumen jagenden fleischfressenden Thieren, als ein kleineres offenes Nest. Auch dürfen wir nicht vergessen,
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/169&oldid=- (Version vom 31.7.2018)