– als lebte man mitten in friedlichster, gemütlichster Zeit. Fast nirgends ein Echo von dem stattgehabten Krieg, höchstens in anekdotischem Tone, wie wenn derselbe ein interessantes Ereignis mehr abgegeben hätte – weiter nichts – das neben dem übrigen Europaklatsch vorteilhaft Gesprächsstoff lieferte; – als hätte das grausige Kanonendonnern auf den böhmischen Schlachtfeldern nichts Tragischeres an sich, als eine neue Wagnersche Oper. Das Ding gehörte nunmehr der Geschichte an, hatte einige Landkarten-Umänderungen zur Folge – aber dessen Schauerlichkeit war aus dem Bewußtsein geschwunden – in das der Unbeteiligte vielleicht niemals gedrungen … vergessen, verschmerzt, verwischt. Ebenso die Zeitungen – ich las zumeist französische Blätter: – alles Interesse auf die für 1867 sich vorbereitende pariser Weltausstellung, auf die Hoffeste in Compiègne, auf litterarische Persönlichkeiten (es tauchten ein paar neue vielbestrittene Talente auf: Flaubert[WS 1], Zola[WS 2]), auf Theaterereignisse: eine neue Oper von Gounod[WS 3] – eine von Offenbach[WS 4] der Hortense Schneider[WS 5] zugedachte Glanzrolle u. dgl. gerichtet. Das kleine pikante Duell, welches die Preußen und Österreicher là-bas en Bohème ausgefochten, das war schon eine etwas verjährte Angelegenheit … O, was drei Monate zurückliegt oder dreißig Meilen entfernt ist, was nicht im Bereich des Jetzt und des Hier sich abspielt, dort reichen die kurzen Fühlhörnchen des menschlichen Herzens und des menschlichen Gedächtnisses nicht hin.
Gegen Mitte Oktober verließen wir die Schweiz.
Anmerkungen (Wikisource)
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)