müde, den Andern auszuforschen. Es war mir immer noch, als hätte ich nicht genug gehört, als wären von diesen geschilderten Höllenkreisen die letzten und höllischsten noch nicht geschildert worden. Und wenn einmal der Durst nach Gräßlichem erregt ist, so ruht man nicht, bis er nicht mit dem Gräßlichsten gelöscht worden. Und richtig: es gibt noch Schauerlicheres, als ein Schlachtfeld während – das ist ein solches nach der Schlacht.
Kein Geschützdonner, kein Fanfarengeschmetter, keine Trommelwirbel mehr, nur leises schmerzliches Stöhnen und Sterberöcheln. Im zertretenen Erdboden rötlich schimmernde Pfützen, Blutlachen; – alle Feldfrucht zerstört, nur hie und da ein unberührt gebliebenes, halmenbedecktes Ackerstück; die sonst lachenden Dörfer in Trümmer und Schutt verwandelt. Die Bäume der Wälder verkohlt und geknickt; die Hecken von Kartätschen zerrissen … Und auf dieser Wahlstatt Tausende und Tausende von Toten und Sterbenden – hilflos Sterbenden! Keine Blüten noch Blumen sind auf den Wegen und Wiesen zu sehen, sondern Säbel, Bajonette, Tornister, Mäntel, umgestürzte Munitionswagen, in die Luft geflogene Pulverkarren, Geschütze mit gebrochenen Laffetten … Neben den Kanonen, deren Schlünde von Rauch geschwärzt sind, ist der Boden am blutigsten; dort liegen die meisten und verstümmelsten Toten und Halbtoten – von Kugeln buchstäblich zerrissen. Und die toten und halbtoten Pferde – solche, die auf den Füßen, welche ihnen geblieben sind, sich aufrichten, um wieder hinzusinken,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/066&oldid=- (Version vom 31.7.2018)