Schönheit und Glück schien, und meine Lieben – Friedrich, mit dem ich so gern alt geworden wäre, Rudolf, den ich so gern zum Manne auferzogen hätte, zu verlassen; zweitens auch – nicht in Selbstsucht, sondern im Hinblick auf Friedrich – war mir der Gedanke an den Tod entsetzlich, denn ich wußte, so gewiß als man nur wissen kann, daß der Schmerz, mich zu begraben, den Beraubten schier unerträglich wäre … Nein, nein: glückliche Menschen und von teuern Wesen geliebte Menschen können nicht Todesverachtung empfinden. Zu dieser gehört vor allem Lebensverachtung. Ich konnte auf meinem Lager, wo die Krankheit mit ihrer tödlichen Gewalt mich umschwirrte, wie der Krieger auf dem Schlachtfeld von Kugeln umschwirrt wird, mich so recht in die Empfindung solcher Soldaten hineindenken, welche das Leben lieben, und welche wissen, daß ihr Tod geliebte Wesen in Verzweiflung stürzen würde.
„Nur das eine hat der Soldat vor dem Fieberkranken voraus: das Bewußtsein erfüllter Pflicht,“ antwortete mir Friedrich, als ich ihm diese Gedanken mitteilte. „Doch darin gebe ich Dir recht: gleichgültig sterben, freudig sterben, – was uns allenthalben zugemutet wird – das kann kein glücklicher Mensch. Das konnten nur die aller Lebensnot Preisgegebenen in alter Zeit, die an der Friedensexistenz gar nichts zu verlieren hatten, oder solche, die sich und ihre Brüder nur durch den Tod von Schmach und unerträglichem Joch befreien können.“
Als die Gefahr überstanden war, wie genoß ich
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/276&oldid=- (Version vom 31.7.2018)