Ich habe den ganzen Tag an ihrem Lager verbracht und werde auch die Nacht über hier bleiben – ihre letzte Nacht …
Sie hat viel gelitten, die Arme. Jetzt ist sie ruhig – die Kräfte schwinden, der Pulsschlag[WS 1] hat beinah schon aufgehört … Außer mir wachen noch ihre Schwester und ein Arzt im Krankenzimmer.
Ach, diese schreckliche Zerreißung: der Tod! Man weiß doch, daß er alle fällen muß und doch kann man’s nie recht fassen, daß er auch unsere Lieben hinraffen darf. Was mir diese Mutter war, das vermag ich nicht zu sagen.
Sie weiß, daß sie stirbt. Als ich ankam, heute morgen, empfing sie mich mit einem Freudenschrei:
– Also doch – sehe ich Dich noch einmal, mein Fritz! Ich fürchtete so, Du kämst zu spät.
– Du wirst ja wieder gesund werden, Mutter, rief ich.
– Nein, nein – davon ist keine Rede, mein alter Bub’. Nimm diesem unserem letzten Beisammensein nicht die Weihe durch die üblichen Krankenbettvertröstungen. Sagen wir uns Lebewohl –
Ich fiel schluchzend an der Bettseite in die Knie.
– Du weinst, Fritz? Schau, ich sage Dir auch nicht das üble „Weine nicht“. Es ist mir lieb, daß Dir der Abschied von Deiner besten alten Freundin leid thut. Das bürgt mir, daß ich lange unvergessen bleibe –
– Solang ich lebe, Mutter!
– Erinnere Dich dabei, daß ich viel Freude an
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Pulsschlug
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)