hundert verschiedenen Dingen – unter anderen auch vom Wetter – aber nur nicht von dem, was ich auf dem Herzen hatte.
„Ah, Martha,“ sagte jene unvermittelt, „ich habe eine Post an Sie zu bestellen: mein Vetter Friedrich läßt Sie grüßen – er ist vorgestern abgereist.“
Ich fühlte, daß mir das Blut aus den Wangen wich.
„Abgereist? Wohin? Wurde sein Regiment versetzt?“
„Nein … er hat nur einen kurzen Urlaub genommen, um nach Berlin zu eilen, wo seine Mutter auf dem Sterbebette liegt. Der Arme, er dauert mich; denn ich weiß, wie er seine Mutter vergöttert.“
Nach zwei Tagen erhielt ich einen Brief von unbekannter Hand, mit dem Poststempel Berlin. Noch ehe ich nach der Unterschrift geschaut, wußte ich, daß das Schreiben von Tilling kam. Es lautete:
Teure Gräfin! Ich muß Jemandem klagen … Warum gerade Ihnen? Habe ich ein Recht dazu? Nein – aber den unwiderstehlichen Drang. Sie werden mir nachfühlen – ich weiß es.
Hätten Sie die Sterbende gekannt. Sie würden sie geliebt haben. Dieses weiche Herz, dieser helle Verstand, diese heitere Laune, diese Hoheit und Würde – und das alles soll jetzt ins Grab – keine Hoffnung!
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/125&oldid=- (Version vom 31.7.2018)