kam die neue Anleihe und saugte das Geld wieder an und dazu noch die letzten Reste der Spargelder. Und wieder kam die Pumpe und saugte die Milliarden an und wieder ebbten sie zurück, bis glücklich, nachdem dies schöne Spiel neunmal wiederholt war, – das Reich 100 Milliarden Schulden gemacht hatte.
Dafür hatte das Volk allerdings 100 Milliarden schön bedrucktes Papier in Händen. – Zuerst bildeten wir uns ein, wir seien so viel reicher geworden, nun kommt der Staat und sagt, ich stehe vor dem Bankerott.
Ja, warum denn? – Ich selbst kann doch nicht bankerott werden, wenn ich auch noch so oft meinen Hundert Mark-Schein von der rechten Hosentasche in die linke stecke. Es wäre doch die allergrößte Torheit, wenn wir die Torheit unserer Kriegsanleihewirtschaft noch dadurch manifestieren würden, daß wir uns bankerott erklären.
Brechen wir die Zinsknechtschaft des Geldes! Erklären wir die Stücke der Kriegsanleihen unter Aufhebung der Zinsen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln und wie Märzenschnee vor der Sonne wird der Alpdruck des Staatsbankerotts von uns weichen.
Man hat mir gesagt, die Aufhebung der Zinszahlung sei ein verschleierter Staatsbankerott. Nein, das ist nicht wahr! – Die Aufhebung der Zinszahlung ist kein verschleierter Staatsbankerott. Das Gespenst des Staatsbankerotts ist tatsächlich nur ein Kinder- und Ammenschreck, erfunden von den mammonistischen Gewalten.
Das Buch von Fr. Röhr „Was jeder vom Staatsbankerott wissen muß“ – ist vollkommen in mammonistischen Gedankengängen befangen und obwohl der Verfasser im allgemeinen durchaus klar die wirtschaftlichen Schädigungen erkennt, die uns durch die Sozialisierung drohen, so sehr und richtig er darauf hinweist, daß letzten Endes uns nur eine Wiederaufbauung unserer Wirtschaft retten kann, – von dem Aberglauben, von der Heiligkeit des Zinses kann er sich nicht losmachen und malt daher den Staatsbankerott ganz im Interesse des Mammonismus, als eine ganz schreckliche Katastrophe an die Wand.
Es ist interessant zu verfolgen, daß sich Röhr trotz besserer geschichtlichen Erkenntnis nicht davon losmachen kann und in seinem Schlußwort bemerkt: „Ist die vernichtende wirtschaftliche Katastrophe nicht zu vermeiden, so wird keiner von ihr verschont“, während er auf Seite 81 zugesteht, daß die Folgen staatsfinanzieller Mißwirtschaften
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/23&oldid=- (Version vom 6.10.2017)