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§. 16.
Die anziehende Masse ist über eine unendliche gerade Linie vertheilt.
Wir gehen zu dem abstracten Falle über, dass die Masse in einer Linie vertheilt ist. Unter der Dichtigkeit
im Punkte
dieser Linie verstehen wir den Quotienten, den man erhält, wenn die Masse des an den Punkt anstossenden Linienelementes
durch die Länge dieses Elementes dividirt wird. Die Dichtigkeit soll in jedem Punkte der Linie endlich sein und, wenn nichts anderes ausdrücklich gesagt ist, an keiner Stelle sich sprungweise ändern.
Zunächst nehmen wir den einfachsten Fall, dass die Masse mit constanter Dichtigkeit in einer unbegrenzten geraden Linie vertheilt ist. Wir legen in sie die Axe der
. Das an den Punkt
anstossende Massenelement ist
. Die Entfernung von dem angezogenen Punkte
ist
. Statt mit
darf man auch mit
multipliciren und hat demnach
(1)
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Denn die Derivirten dieser Function nach
oder nach
oder nach
sind dieselben, als wenn unter dem Integral einfach
stände. Die Function
wird eingeführt, weil das Integral
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keine Bedeutung mehr hat, wenn die Grenzen
und
genommen werden. Man hat deshalb
so einzurichten, dass das Integral (1) einen bestimmten, angebbaren Werth erhalte. Wir setzen
und verstehen unter
eine beliebige endliche, positive Grösse. Die unbestimmte Integration
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lässt sich ausführen. Man erhält
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und daher ergibt sich
(2)
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Auf demselben Wege berechnet man
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folglich
(3)
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Endlich gelangt man durch einfache Umformungen zu der Gleichung
(4)
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Aus (2), (3), (4) setzt sich das Integral auf der rechten Seite von (1) durch Addition zusammen. Das Resultat lautet:
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|[60]Die willkürliche Zahl
darf man nun
setzen. Dann wird
(5)
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oder, wenn man den Abstand des Punktes
von der anziehenden Linie mit
bezeichnet:
(6)
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Die Potentialfunction ist hier also von
unabhängig und daher die Componente der Anziehung in der Richtung parallel zur anziehenden Linie gleich Null. Dies war bei dem unbegrenzten Verlauf der Linie und der constanten Dichtigkeit ihrer Masse vorauszusehen. Man hätte auch den Anfangspunkt der Coordinaten auf der Axe der
so verschieben können, dass der angezogene Punkt in die neue
Ebene fällt. Dadurch wird
und
geht über in
. Die Integration in (1) bleibt aber von
bis
zu erstrecken.
Von der Richtigkeit der Gleichung (6) kann man sich auch auf folgendem Wege überzeugen. Man nehme ausser dem Punkte
noch einen Punkt
und bezeichne die Potentialfunction der anziehenden Linie auf den ersten Punkt mit
, auf den anderen mit
. Setzt man
und
, so hat man
(7)
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Die Integration erstrecken wir zunächst von
bis
und suchen den Grenzwerth für
. Nun ist aber
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folglich
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für
, d. h.
(8)
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|[61]Da aber
nur von
und
nur von
abhängig ist, so zerfällt die Gleichung (8) in die beiden folgenden:
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Die Constante hat in beiden Gleichungen denselben Werth. Es kömmt aber auf sie gar nichts an. Man darf sie also auch
setzen und erlangt so wieder die Gleichung (6).
Uebrigens ist es auch leicht, die Potentialfunction für den Fall herzustellen, dass die Masse mit constanter Dichtigkeit über einen endlichen Theil der
Axe (von
bis
) vertheilt ist. Man erhält
(9)
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Die Integration lässt sich ausführen. Wir bringen das Resultat in drei verschiedene Formen, je nachdem
oder
oder
ist, nemlich
(10)
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für
; dagegen
(11)
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fur
; und endlich
(12)
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für
.
Lässt man in (12)
werden, d. h. den angezogenen Punkt in die anziehende Linie fallen, so wird
unendlich wie
, also gerade so wie bei der unbegrenzten anziehenden Linie.