Sagen (Alemannia XV)
1 DAS MÖNBACHWEIBCHEN eine fränkische Sage
In der Müle zu E. saßen am Abend vor Weihnachten durstige Brüder und lockere Zeisige und zechten biß zur elften Stunde. Als schon die Glocken zur Christmesse ertönten, so graußte es den Gästen und beim Nachhausegen sahen sie die Kirche schon erhellt und die frommen Gläubigen schritten dem Gotteshause zu. Einer blib sizen, spottete über die frommen Beter und rief: noch ein Glas! Dises kredenzte im aber nicht mer die Müllerin, welche sich zur Kirche aufgemacht hatte. Da wurde es im unheimlich in der Müle, er machte sich auf und taumelte den Wald entlang dahin. Am Saume des Waldes begegnete im das Mönbachweibchen in unheimlicher Gestalt, wis im den Weg, aber in ein Reich, woher er biß auf disen Tag nicht mer zurückgekert ist. – Einmal erschin es bei ganz armen Eheleuten, die nur ein einziges Kind, einen dreijärigen Son hatten. Da es die schwache Seite diser Leute, nämlich ire Armut kannte, so bot es inen vile blanke Taler an, wenn sie im iren Son verschreiben würden. Der Pakt wurde geschloßen, daß nach 22 Jaren von heute an das Mönbachweibchen sein Eigentum heimholen dürfte. Den Eltern erwachte bald ir Gewißen, sie sahen die Taler nicht mer an und das künftige Loß ires Kindes gieng inen tief zu Herzen. Gern hätten sie den Vertrag wider gelöst, allein das Mönbachweibchen ließ sich nie widersehen. Die Mutter konnte ir [127] Herzenleid nicht mer allein tragen und vertraute es darum irer Nachbarin. Dise riet ir, den Son geistlich werden zu laßen, so daß er biß zum gedungenen Termin Priester wäre, wodurch der Zauber gelöst werde. Der Mutter gefiel diser Rat und da sie zu arm war, dises Vorhaben ausfüren zu können, so wanderte sie mit irem Sone an St. Simon- und Judätag dem benachbarten Kloster zu. Alles hatte seinen gewünschten Verlauf; die Eltern lebten ruhig und zufriden und gedachten kaum mer des verwünschten Paktes. Da kam die Zeit heran, da der Son die erste heilige Messe lesen sollte; der ganze Akt verlief ruhig und würdig, als nach Beendigung des Gottesdienstes das Mönbachweibchen in freudestralender Mine am Plafond der Kirche erschin, den Pakt zerriß und die Fezen auf die Versammlung niderwarf. – Ein reicher Bauer zu R. war plözlich gestorben und die Sage gieng, er habe tausende von blanken Talern hinterlaßen. Da die Söne alles durchstöberten, aber des Vaters Geldkiste nicht finden konnten, so begab sich der älteste Son um die Mitternachtsstunde in den Mönbach und fragte die freundliche Fee um Auskunft, wo sein Vater das Kistchen verborgen habe. Dise antwortete: „tief unten im Kellergrunde sind die goldenen Vögel vergraben.“ Die Söne hatten nichts eiligeres zu tun, als nachzugraben. Einen Schaz fanden sie nicht, wol aber hatten sie den Keller bald voll Waßer. – Nicht selten erscheint das Mönbachweibchen in den Wonungen als Hausgeist und tut den faulen Knechten und Mägden die Ere an, sie zu züchtigen für ire Läßigkeit im häuslichen Dienst. Es bläst inen das Liecht aus, zieht inen im Bett die Decke weg, stößt inen die Milchkübel um etc. Ebenso besucht es gern die Kunkelstuben des Dorfes und bringt der Spinnerin, die am raschesten und schönsten spinnt, eine goldene Spindel. Ein armes Kind verlor auf dem Wege seine Spindel und fieng laut zu weinen an. Die gute Fee erbarmte sich des Kindes und gab im eine hellglänzend goldene Spindel. Als dises nachher den Hergang erzälte, machte sich eine schlaue Spinnerin auf, warf ire Spindel weg und fieng zu jammern an. Bald erschin die Fee und hielt ir eine goldene Spindel hin, die sich aber in irer Hand zu einer Rute verwandelte.
Mündlich
2 DAS WEIHELAMM IM KLOSTER PFULLINGEN[1]
Herzog Christoph baute sich anno 1563 in der Stadt Pfullingen ein Jagdschloß. Seit den 40er Jaren Irrenanstalt von Dr. Flamm. – Zwei Töchter aus dem Geschlechte der Rempen, Mechthild und Irmel, stifteten das Kloster 1250 zu Eren der heiligen Cäcilie nach den Regeln der Clarissinnen. Nach seiner Eröffnung war die erste Gabe ein Lamm, das aber nicht [128] zum Klosterleben bestimmt war. Es vermerte sich zu einer ansehnlichen Herde und bedeutete so überhaupt den Segen der dem Kloster zu Teil werden sollte. Nach der Reformation kam es in Abgang. 1793 ward es abgetragen. Es blib von im nur noch die hohe Wand mit dem Sprachgitter, die Kirche und die Müle an der Echatz sammt dem Baumgarten, dessen herrliche Bäume heute noch die weiten Mauern stolz überragen.
3 HEILIGE HOSTIE VERGRABEN
Eine Bauersfrau unweit Hamburg hat die gesegnete Ostie unter einer Kohlstaude vergraben in der Verführung, ihr Garten würde wol tragen und ihr Kohl gerathen, woraus doch zu höchster Verwunderung ein wohlgebildetes Kruzifix erwachsen, das man noch in der Kaiserlichen Kunstkammer zu Wien zeiget.
Denkwürdige Curiositäten – von Männlingen Frankf. u. Leipzig 1703 S 165.
4 FREVEL AN ST. ULRICHSTAG
Als man zu Augsburg das Fest deß heyligen Vlrichs anfangen zu feyren, hat einer an solchem Tag sein Hew in Wiesen zusammen rechen vnd zu Bürtling aufsetzen laßen; am andern Tag hernach, als er solches wider verwerffen vnd dann heimbführen wöllen, waren die Bürtling äusserlich gar schön anzusehen, aber als man mit Gablen darein gestochen, waren sie ganz in Aschen verbrendt.
Nach Dauroult Exx. bei Plac. Spies v. Ochsenhausen Praxis Catechistica Konstanz 1674 S 140.
5 VERGOLDETE TRAUBEN
Wunderlich ist es anzuhören, was der hochverständige Alexander ab Alexandro in seinem 14. Buche wunderseltsamen Geburten beibringet a. 9. Cptl.
In Ober-Teutschland nicht weit von der Donau seyen viel Weinreben gepflantzet worden, welche durch den ganzen Winter oder gar guldene oder gar verguldte Trauben und Blätter getragen. Von vnterschiedlichen der Naturverständigen ist dessen folgende Ursach gegeben worden. Es müssen nicht gar tieff in der Erden Goldadern gelegen sein, denen habe die Wurzel des Weinstocks sich eingestricket und also samt der Feuchtigkeit etliche Goldkörnlein an sich gezogen von denen durch Zuziehung der starken Sommerhitz die Trauben und Blätter verguldet werden.
PMaurus v. Grießkirchen Festiv. I 152. Salzb. 1691.
6 TEUFELSBÜNDNISSE, VERZAUBERUNGEN
Die Einsidler Kroniken erzälen Folgendes:
a. 1696 wurde eine Weibsperson gezwungen ir Stück Brots armuthalber bei gutherzigen Leuten zu suchen. Einst get sie von Hause weg; da sagte ir die Mutter aus Ungeduld: [129] sie möge ins Teufels Namen gen wohin sie wollte. Beim Gange übers freie Feld begegnete ir ein schwarzer Soldat zu Rosse, der sie anredete: wohin des Weges? Gott weiß es, erwiderte sie im, ich habe zu Hause weder zu nagen noch zu beißen, bin gezwungen zu betteln! Willst Du in meinen Dienst gen, hast du Geld, Speise und Trank außer Brotes genug, magst Dir lezteres wol um Geld schaffen. Diente im 2 Jare und ward unterdes schändlich misbraucht. Da mutete er ir zu, damit sie im verbündlich bleibe, sie solle sich im unterschreiben. Sie willigte ein unwißend daß sie sich mit dem Teufel vertrage. Sie könne auch nicht schreiben. Er verlezte ir den Finger und unterschrib mit dem Blute einen Zettel. Verlangte indes nicht Ableugnung Gottes. Wie sie an Zeichen merkte wessen Mannes, daß es nicht geheuer sei, beschloß sie sich diser abscheulichen Dienstbarkeit zu entladen. Sie verlobte sich nach Einsideln und ward gerettet. – Eine wolgestaltete Jungfrau trat bei einem Edelmann in den Dienst, ward eines Kindes schwanger. Dem Schimpfe und der Schmach zu entgen (und in Verhaft gezogen) unterschrib sie sich eigenhändig dem Teufel auf einen Zettel und ergab sich im. Er machte sie des Kerkers ledig, bestellte sie an einen Ort wo sie eine Menge gleich bedauernswerte Gesellschafterinnen vorfand. Sie erschrak, rief die Einsidler Mutter Gottes an und gelobte ir Leben im Kloster zu büßen. Sie kam nach Einsidlen; der grüne Donnerstag war der Ablaufstag des Bündnisses. Von furchtbarer Angst geplagt tat sie reuig Buße. Der Zettel fiel vor ir in der Kapelle bei verschloßenem Chorgitter auf den Altar herab und sie war gerettet. – Magaritha Hogis von Cornimont in Lothringen bekam an irem Hochzeitsfeste einen verzauberten Trunk Wein. Der böse Geist hatte sie beseßen; sie erwildete, floh in den Wald und war nicht mer heimzubringen. Weder Gatten noch Freundschaft mochte sie mer ansehen. Blib 1½ Jar so draußen, ward 1714 nach Einsideln gebracht, im Heumonate, und ist so ires schlimmen Wesens erledigt worden.
7 DIE HEIDENKAPELLE BEI OBERDORF[2]
An der Straße von Solothurn nach Oberdorf, einem Pfarrdorfe, von dem eine Straße auf den Weißenstein fürt, ligt die sog. Heiden-Kapelle, deren Entstehung die Volkssage also erzält: im Münster zu Solothurn hatten Räuber einen Diebstal im Tabernakel verübt und die entwendete Hostie auf irem Wege in einen Zaun geworfen; da seie einem Vorüberreitenden das Pferd auf die Kniee nidergefallen, was auf die Entdeckung der Hostie gefürt, die man dann zurück gebracht und zum Gedächtnis des Ereignisses dise Kapelle erbaut habe.
[130] 8 DER HERREN LOCH
Zur Zeit der Reformation lebte in dem großen Pfarrdorfe Biberist an der Emmen bei Solothurn ein katholischer Pfarrer und in der Nähe ein calvinischer Prediger, die sich zuweilen gegenseitig besuchten und über theologische Gegenstände unterhielten. Als einsmals der eine dem andern beim Rückwege das Geleit gab, gerieten sie in der Hize des Streites so aneinander, daß sie sich in einer Schlucht wechselseitig erstachen, die deshalb nachher das Pfaffenloch benannt wurde. – Wärend der französischen Revolution sollen die Solothurner Patrizier ire Reichtümer dorthin geflüchtet und vergraben haben, weshalb es auf den heutigen Tag noch der Herren Loch benannt wird.
9 DIE KIRCHE ZU ST. PREX
Zwischen Rolle und Morges ligt auf einer Landspize des Genfer Sees der uralte aber schmuzige Flecken St Prex, dessen Kirche von den Häusern getrennt ist; sie soll eine der ältesten den Cantons Waadt und um 530 erbaut worden sein. Ehemals stand sie mitten im Dorfe, in einer Nacht aber packte sie der Teufel und zog sie hinweg, und wol hätte er sie noch weiter geschleppt, wäre nicht gerade zur rechten Zeit ein Mönch dazu gekommen, und hätte in durch einige fromme Sprüche davon abgehalten.
10 KINDERBRUNNEN
In Hausen ob Verena bei Spaichingen haben sie auch den Kinderbrunnen.
In Gunningen, nahe dabei, ist der uralte Flöschabronna, aus dem man die Kinder holt. Flöscha f. ist ein alem. Wort für Teich, wäßerige Vertiefung Vihtränke, eingesenktes Feld. Das Schweiz. Idiot. I 1254 erklärt es nicht, kennt aber auch Flurnamen so benannt. Mit Floß, Fluß usw. ist zur Erklärung nichts getan. Ich glaube das Hebelsche flösch schwammicht, das am Feldberge heute noch übliche Adj. das wol nichts anders ursprünglich bedeutet als mosichten, schwankenden schwammartigen Grund und Boden, gibt der Deutung den besten Anhaltspunkt. Villeicht darf ahd. flusc Graff III 753 ff. beigezogen werden.
Anmerkungen (Wikisource)
Die einzelnen Sagen finden sich unter: