Romanzen vom Rosenkranz/Romanze X: Schöpfungsgeschichte des Moles
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Schöpfungsgeschichte des Moles
„Als das Licht sich hat entzweiet,
Stieg was leicht und sank was schwer,
Und das Eine war gezweiet
Zwischen Gott und Luzifer.
Diente nun der feste Kern,
Und was unterirdisch kreiste,
Nannte ihn den mächtgen Herrn,
Der von unten aufwärts greifet
Was unsicher oben schweifet
Niederreißt ans erzne Herz.
Und der Oberfläche Zweifel
Stehet an der Scheide Weg,
Daß so eben ist sein Weg.
Aber nieder sah mit Neide
Gott zum festen Erdenstern,
Und er wollte, daß sie beide
Wollte, daß als Friedensgeisel
Einer zwischen beiden geh,
Und, des großen Künstlers Meißel
Lobend, an der Sonne steh;
Hafte an dem Grunde schwer,
Mit der Stirne aufwärts weisend,
Mit dem Leibe irdisch wär.
Und der Herr sprach: „Nieder reise
Bring in ihre sieben Kreise
Des Allmächtigen Befehl,
Daß sie dir des Staubes reiche
Aus den sieben Tiefen schnell,
Ich ihr draus zum Herren stell.“
Als der Seraph niedersteigend
Zu der irdschen Feste schwebt,
Lag die Erde einsam schweigend,
Wo des Engels Flug ausgreifet,
Spaltet sich das Firmament,
Und aus seinen Ufern schweifet
Bang das nasse Element.
Schmerzlich in der Erde Herz,
Daß die Quellen los sich reißen
Aus der Tiefe himmelwärts.
Auf den Fittichen gebreitet
„Erde, dir ist Heil bereitet
Durch den Willen deines Herrn!
Sei gegrüßt, Gebenedeite!
Denn mit dir will sein der Herr,
Soll erstehen dir der Herr.
Und die Frucht aus deinem Leibe
Soll dem Herren ähnlich sehn;
Daß dir Gottes Liebe bleibe,
Drum aus deinen sieben Reifen,
Von der Rinde bis zum Kern,
Laß mich eine Handvoll greifen;
Also ist der Will des Herrn!“
Widertönt der Erde Erz,
Und mit einem tiefen Schreie
Tönet auf aus ihr das Herz:
„Gabriel! zum Herrn ich schreie,
Daß er mir den Wunsch verzeihe,
Daß ich bleibe unbelebt.
Daß ich jungfräulich im Scheine
Seines Lichtes freudig steh,
Nicht in Sünde untergeh.
Jetzo bin vor Gott ich reine;
Soll ein Herr aus mir erstehn,
Wie soll bleiben er der meine,
Und den Seraph hat das Weinen
Der Jungfräulichen bewegt,
Zu des ewgen Lichtes Scheinen
Ihn der Flügel wieder trägt.
In der weiten Himmelshöh,
Geht die Sonne, da er eilet,
Auf, daß sie die Erde seh.
Und er sprach: „O Herr, verzeihe!
Ihre Bitte, Herr, verleihe,
Laß in Reinheit sie bestehn!“
Doch der Herr sprach: „Will im Scheine
Meiner Sonnen keusch sie gehn,
Eh ihr auf die Augen gehn?
Sie liegt in des Traumes Zweifel,
Wenn mein Bild nicht auf ihr lebt;
Aus ihr schreiet nur der Teufel,
Und der Herr sprach: „Niedersteige
Zu der Züchtgen, Michael!
Daß sie dir des Staubes reiche,
Nach des Ewigen Befehl!“
Sieht im Mittagsglanze stehn
Und, des Herren Milde preisend,
Sich im Sonnenstrahl ergehn,
Rühret ihn, den göttlich Freien,
Ihr metallisch heißes Schreien,
Daß ihr hart Gewalt gescheh.
Und er blieb, zur Höhe eilend
Bittend vor dem Ewgen stehn,
Schonend an der Erde Flehn!
Ich hab sie im Sonnenkleide
Also schuldlos schlummern sehn,
Aller Tränen Augenweide
Als ich meine Flügel breitend
Sie mit meinem Flug erweckt,
Ihre Schmerzen tief mitleidend,
Hat mich ihr Geschrei erschreckt!“
Zu der Jungfrau, Raphael,
Daß sie dir des Staubes reiche,
Bringe ihr des Herrn Befehl!“
Und der Seraph niederschweifet
Und die Erde lag umreifet
Von dem Abendglanz umher.
In dem roten Sonnenscheine
War sie so in Trauer schön,
Blieb er auf den Wogen stehn.
Und von ihrem heißen Weinen
Wurden seine Flügel schwer,
Und er mußte mit ihr weinen
Da er in die Wogen weinet,
Da erbitterte das Meer,
Und ihr Herz in Schmerz versteinet
Floß in salzgen Quellen her.
Da die Sonne stieg zur See,
Und er stellt zum Friedenszeichen
Ihr den Mond in blauer Höh.
Da er zu dem Licht aufreisend
Rollen seine Tränen kreisend
Um die Erd das Sternenzelt.
Und der Herr sprach: „Niedersteige
Zu der Erde, Azrael!
Bringe ihr des Herrn Befehl!“
Und der Seraph weit ausbreitet
Er die Flügel um sich her,
Daß der Schatten mit ihm schreitet
Ihn soll nicht ihr Schmerz ergreifen,
Er will sie nicht trauern sehn,
Und vor ihm an ihren Reifen
Mond und Sonne untergehn.
Die Geblendeten vergehn,
Als sie freudig und alleine
In ihr eignes Herz gesehn,
Und fand allerlei Gebeine,
Fand in sich die edlen Steine
Dunkel schimmernd ausgelegt.
Und traumwandelnd sie beschleichet
Nun der schlaue Azrael,
Sieben Staube dem Gesell.
Da er zu dem Ewgen steiget,
Ließ er sie im Schlafe stehn,
Der der Erde hat gezeiget,
Da den Staub dem Herrn er reichet,
Spricht der Ewge: „Azrael!
Wer das Leben so beschleichet
So vollbringet den Befehl,
Zu dem Himmel, zu der Höll,
Die sich von dem Leben scheiden,
Todesengel Azrael!“
Und die Erden schärfer scheidend
Tiere immer höher schreitend
Kriechen, schwimmen, fliegen, gehn.
Und die sieben Erden einet
Er zum Menschen noch zuletzt;
Ward zum Erdherrn eingesetzt.
Ihn haucht an der Herr der Geister,
Hat ihm einen Geist geschenkt,
Daß er ähnlich sei dem Meister,
Von der Erd zum Sternenkreise
Reicht er, wenn er aufgestellt;
Sonnen gleich zu Gottes Preise
War das Antlitz ihm erhellt.
Wo die Sonne aufersteht;
Ruhend ihm die Ferse reichte,
Wo die Sonne untergeht.
Und die Tiere und die Geister
Glaubten ihn den ewgen Meister,
So war herrlich er und schön!
Doch da sie ihm näher schreiten,
Haben sie ihn erst erkennt,
Gottes sind ohn Zahl und End!“
Aber Gott sah ihn mit Neide,
Wollte ihn verkleinern gern,
Auf daß künftig unterscheide
Ließ vom Schlafe ihn beschleichen,
Den erfunden Azrael,
Zu ihm, zu den irdschen Reichen
Stieg er, daß er ihn bestehl.
Und beraubt sein eigen Werk,
Streute um ihn her die Beiner,
Daß er seine Herrschaft merk.
Und da Adam war alleine,
Wollt der Herr, daß er nicht weine,
Ihm nach einem Weibe sehn.
Und er rief: „Hernieder steige
In die Tiefe, Azrael!
Bringe ihr des Herrn Befehl!“
Aber alle sieben Kreise
Waren durch und durch belebt,
Daß den Staub er zu sich reiße,
Als er in der Nacht ausgreifet,
Griff er in ein Pfauennest,
Und den Vogel hochgeschweifet
Steckt im Wolkengurt er fest.
Eine Katze augenhell,
Funken sprühen, wenn er’s streichet,
Aus dem glatten Schmeichelfell.
Aus der Wurzel sodann reißt er
Und Fünffingerkraut; der Meister
Wird schon wissen, was ihm fehl.
Eine Purpurschnecke reichet
Ihm sodann das weite Meer,
Basiliskus zu ihm her.
Und mit diesen Sechsen einet
Er den König, der sich hebt,
Und in roter Schminke scheinet,
Diese böse Sieben reichet
Klug dem Engel Luzifer,
Der vor ihm im Dunkel schleichet,
Als wenn er die Erde wär.
Nun der Herr, die sonst getrennt,
Gibt dem Adam sie zum Weibe;
Lilith war das Weib genennt.
Adam! Adam! du mußt leiden,
Wer mag dich von Lilith scheiden,
Die vom Herrn dir ward bestellt?
Schreiend, widergellend, keifend
Eifert sie und widerbellt,
Die der Pfauenschweif enthält.
Und da heuchelt sie und schmeichelt
In dem weichen Katzenfell,
Und wenn er betört sie streichelt,
Nach der Belladonna weisend
Er sie etwas giftig nennt,
Bald auf seinen Wangen beißend
Das Fünffingerkraut entbrennt.
Wie es mit der Wahrheit steht,
Wenn der Basiliske gleißend
Aus der falschen Schminke geht.
Ewig waren sie entzweiet,
Den Schemhamphorasch laut schreiend[1]
Flog sie in die Lüfte fern.
Da sprach Adam: „Herr der Geister,
Lilith floh aus meiner Welt;
Über sie sei aufgestellt!“
Gott ließ nun drei Engel reisen,
Die sie fanden überm Meer;
Sie zur Güte hinzuweisen,
Und nichts konnte sie erweichen,
Daß sie zu dem Adam kehr,
Und die Engel, daß sie schweige,
Drohn zu stürzen sie ins Meer.
Sei geschaffen sie zur Welt,
Zu der eignen Kindlein Peine
Sei zum Leben sie bestellt.
Und der Herr sprach: „Ja, so bleib es!
Sollen Kinder ihres Leibes
Täglich hundert untergehn!“
Und seit diesen Fluch der Meister
Ließ ergehen für ein Recht,
Aus der Lilith Urgeschlecht.
Um den Adam zu beschleichen,
Gott sein Haupt in Schlummer senkt,
Stiehlt die Rippe ihm, ein Zeichen,
Denn er war durch Schaden weiser,
Scheute sich vor Luzifer,
Und er geht Werke leiser,
Will nun keine Erde mehr.
Heva hat er sie genennt,
Sie war Fleisch von Adams Leibe,
Und sie haben sich erkennt.
Ihre Locken zu den Seiten
Salbte sie, und tanzend schreiten
Mußte sie zu Adam her.
Tausend Engel, sie zu preisen,
Vor dem klaren Weibe gehn,
Rings mit himmlischem Getön.
Und es tanzten rings den Reigen
Sonne, Mond und Sterne fern
Nach der Engel Harf und Geigen
Während seinen Segen beiden
Reichet gütig nun der Herr,
Zu der Mahlzeit sie zu leiten
Eilten dann die Engel her.
Da die Hochzeitsspeisen stehen,
Schenkend wohlgekühlte Weine
Engel um die Tafel gehn.
Gott zeigt in dem Paradeise
Spricht: „Die Frucht nehmt nicht zur Speise,
Sie ist tödlich!“ und entschwebt.
Da er von der Erde weichet,
Von dem Herren zum Geschenk
Daß er seiner Liebe denk.
Aller Schöpfung Heimlichkeiten
In dem Buch verzeichnet stehn,
Und die Engel aller Seiten
Hinter seinem Rücken schreibet
Ab das Buch der Samael,[2]
Luzifer ihn dazu treibet,
Daß auch nicht ein Buchstab fehl.
Bei dem Buche der Gesell,
Und sie schweift zum Zeitvertreibe
Durch den weiten Garten schnell.
Und sie sieht zu ihr herreiten
Der sie will zur Freiheit leiten,
Stolz den hohen Samael.
„Wollet mich zum Baum doch leiten“,
Spricht er, „der im Garten steht,
Auf daß ihr euch nicht erhöht!
Aus des Buches Heimlichkeiten
Hab ich heute eingesehn:
Wer der Früchte ißt, wird schreiten
Und geführet von dem Weibe
Greift zum Baume Samael;
Daß er ungetötet bleibe,
Zeigt er essend ohne Hehl.
Aber wehe! vor ihr schnell
Zu der Erde niederschweifet
Todesengel Azrael.
Sie gedacht in tiefem Leide,
„Sterben wir doch besser beide,
Daß kein Weib ihn mehr erwerb.“
Zu dem Mann ist sie geeilet,
Der bei seinem Buche steht;
Eher sie nicht von ihm geht.
Und der Herr sah es mit Neide,
Und aus Adams Händen schwebt
Weg das Buch, daß er mit Leide
Und er schlug sein Haupt und weinte,
In den Gichon-Fluß sich stellt,
Und so jammerte und weinte,
Daß er bis zum Haupt ihm schwellt.
Rostet und wird träg und schwer,
Und es wird zum Fluch des Weibes,
Daß mit Schmerzen sie gebär.
Gott stürzt sie vom Paradeise,
In der Erde tiefstem Kreise
Adam sich zuerst erkennt.
Erez Hattachtona heißet[3]
Sie und Welt im finstern Kern;
Sich als einen guten Herrn.
Er schickt zu dem zweiten Kreise
Adamah, den Erdgesell,
Daß den Boden er aufreiße
Wo er hundert Jahre bleibet.
Lilith drang da zu ihm her,
Und mit diesem bösen Weibe
Zeuget Zwerg und Riesen er.
Mit dem Geiste Samael,
Zeugt mit ihm in gleicher Weise
Geister und Dämonen schnell.
Da bevölkert er die Kreise,
Ließ er sie zur Arka reisen,
Die die vierte Erde wär.
Und hier fanden sie sich beide,
Und da sie sich hier erkennt,
Stolz ein Sohn und Kain genennt.
Und nun stiegen nach der Reihe
Um drei Erden still einher
Bis zur Tebhel alle dreie,[4]
Adam hier ein Buch aufschreibet,
Was er unten hat gelernt,
Und was ihm erinnernd bleibet
Aus dem Buch, das Gott entfernt.
Ihm die Eva auch erzählt,
Wenig hat ihr starker Meister
Samael vor ihr verhehlt.
Alles in das Buch er schreibet,
Und das hohe Buch es bleibet
Als er stirbt dem Sohne Seth.
Von dem Seth zum Tubalkaine
Hat sich dann das Buch entfernt,
Daraus künstlich schmieden lernt.
Jubal lernt daraus der Geigen
Und der Flöten süß Getön,
Und aus seines Stammes Zweigen
Und so steigt es immer weiter
Von Geschlechte zu Geschlecht,
Und auf seiner ewgen Leiter
Stehen alle Künste recht.
Geht es durch die trübe Welt,
Die es mit der Kunst erheitert,
Mit Erkenntnissen erhellt.
Noah schrieb hinein die Reise
Und der Tiere Art und Weise,
Ihrer Sprache A B C,
Und des Weines Zaubereien,
Und wie man am Firmament
Menschliches Geschick erkennt.
Abram, daß die Kunst mög bleiben
Die Gestirne zu verstehn,
Wollte sie auf Körper schreiben,
Er schrieb sie zum Trost der Seinen
Auf zwei Säulen himmelwärts,
Eine von gebrannten Steinen
Und die andre war von Erz.“
Der in hoher Freude steht,
Daß die Weisheit aller Geister
Nun in seinen Händen steht.
„Aber sag,“ spricht er zum Geiste,
„Heva,“ sprach er, „mit mir kreiste
Durch den Vater Samael.
Und du selber, starker Meister,[5]
Stammest von der Lilith her;
Und der Taufpat Luzifer.
In Ägypten hat verbreitet
Sich dein mächtiges Geschlecht,
Und durch deinen Vater streifte
„He! mein Vater, he! wie heißt er?“
Spricht nun Apo zum Gesell.
„Amber, Amber, lieber Meister,“
Spricht der Hund, „doch ist’s nicht hell![6]
Die die Liebe zwirnt und dreht,
Selbst der Teufel nicht entscheiden;
Mancher erntet ungesät.“
Also sprachen diese beiden,
Apo zu den letzten Leiden
Einer Kranken ward bestellt.
Und der Geist ward immer dreister:
„Mach, daß sie das Sakrament,“
„Nicht empfängt vor ihrem End!“
Anmerkungen des Herausgebers
- ↑ [400] Schemhamphorasch, der geheimnisvolle Name Gottes.
- ↑ [400] Samael, Gift Gottes, ein Dämon.
- ↑ [400] Erez Hatachtona, die untere Erde, die Gegenfüßlererde.
- ↑ [400] Tebhel, Erde, Welt.
- ↑ [400] Hier foppt Moles seinen Meister, indem er ihm die Lilith zur Stamm-Mutter gibt, ihn also als großen Geist, Übermenschen, bezeichnet; aber er demütigt ihn [401] gleichzeitig, indem er ihm nicht einen Dämon, sondern Adam zum Urvater gibt. („Er stammt aus Liliths Geschlecht“ – brauchen viele Dichter als Bezeichnung ungewöhnlicher Abstammung und daher Begabung.)
- ↑ [401] Amber war nur Adoptivvater Apos, der ja von Tannhus und Zinga erzeugt war. (S. Einführung.)
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