Romanzen vom Rosenkranz/Romanze II: Kosme und Rosablanka
« Romanze I: Rosablankens Traum | Clemens Brentano Romanzen vom Rosenkranz |
Romanze III: Meliore und Apone » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Auf des Fensters Efeuranken
Spielt der Strahl der jungen Sonne,
Und des Laubes Schatten schwankend
Weckt den greisen Vater Kosme.
Rosablankens, als er horchet,
Und er trägt den Krug zum Bache,
Füllet ihn mit frischem Borne.
Aus dem Wasserspiegel mahnet
„Du wirst bald die Schuld bezahlen!“
Spricht des Hauptes Silberlocke.
Betend senkt er in dem Schatten
Seine Stirne an den Boden;
Und des Gartens heilge Rose.
Und des Tales Sänger alle,
Blumen, Bäume, hohe Wolken,
Schallend, wachend, atmend, wandelnd,
Aber zu der Kinder Lallen
Weiße, rote, gelbe Rosen.
Wiegt die rote, blutge Rose –
Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln –
Stumm zwei Knospen an der Sonne!
Abgewendet von dem Alten
Läßt die gelbe Rose wanken
Tränenschwere Trauerglocken.
Und die weiße Rose, zagend,
Gleicht dem Geiste einer Nonne,
Ewig unter Mond und Sonne.
Jetzt auch zu dem Bache wandelt
Rosablanka, während Kosme
Betend liegt; mit kühlem Wasser
Ihre Stimme noch umfangen
Von des Traumes Nebelkrone,
Und die Augen scheu umflattert
Von der Sonnenbilder Flocken.
Zu dem frommen Wunsch die Fromme:
„Könnte alle Schuld ich zahlen
Mit der goldnen Flut der Locken!“
Ihre Worte hört der Alte,
Sei gesegnet an dem Tage,
Da du bist zum Licht geboren!
Und die Augen trüb umfloret?“ –
Diesen Morgen mir Aurore.
Überm Haupte bang gespannet
Schwankt und droht des Traumes Bogen,
Den zerbrochen mir die Schwalbe,
„War es Feuer, war es Wasser,
Rosablanka, was dir drohte?
War erwühlet dir der Garten?
Bebte unter dir der Boden?“ –
Und es war die Glut der Rosen,
Und um göttliches Erbarmen
Ward erwühlt des Gartens Boden.“ –
„Wehe! wehe! Rosablanka,
Fand er göttliches Erbarmen
Oder blieb sein Werk verloren?“ –
„Er ging unter still ermahnend,
Über ihm ist aufgeschossen
Dringend hin nach meinen Rosen.“
„Wehe! wehe! Rosablanka,
Gabst du hin die heilgen Rosen?
Hat die bunte, schöne Schlange
„Von dem Himmeln kam gegangen
Und ich gab ihr hin die Rosen.“ –
Für die Worte voller Trostes!
Daß sich mein der Herr erbarme
Mag ich nun in Demut hoffen.“ –
Tiefbeweglich sprach der Alte,
Nach der Rede Sinn zu fragen,
Sie sah schüchtern an den Boden.
Aber zu der Hütte wandeln
Beide nun, und Vater Kosme
Fülle deinen Schoß mit Rosen,
Während ich die Honigwaben
Und das Wachs, das diese Woche
Ich zu Kerzen zog und malte,
Nach Bologna mußt du wandern,
Eh noch höher steigt die Sonne,
Dort verkaufe deine Ware
Bei den schwarz und weißen Nonnen.
Gelde nehme ich vom Kloster;
Was dir bleibt von deinem Wachse,
Tausche ein um weiße Brote.
Bringe mir auch Purpurfarbe,
Und Ultramarin zwei Asse
Aus dem Kram am römschen Tore.
Gibt dem Meßner zwanzig Soldi,
Eine Seelenmesse ordne.
Morgen sind es zwanzig Jahre
Daß die Mutter dir gestorben.
Herr, dich ihrer Seel’ erbarme
Ew’ge Ruhe gib den Armen,
Die der Erde Schoß bewohnen.“ –
Amen! betet Rosablanke,
Und geht weinend nach den Rosen.
Ihr den Korb schon wohlgeordnet,
Drüberhin ein Tuch gespannet,
Darauf gießt sie aus die Rosen.
„Was dir bleibet, Rosablanke,
Gehe hin in Gottes Namen.“ –
Und sie gehet mit dem Korbe.
Kosme schließt das Tor des Gartens
Und der Hütte kleine Pforte,
Wäre gern allein verschlossen.
Aber nicht am Tor des Gartens,
Nicht an seiner Hütte Pforte,
Noch der Kammer, hört den Hammer
In dem Busen wohnt der Mahner
Seiner Armut Gast, mahnt Kosme.
Die mit goldner Flut der Locken
Möchte alle Schuld bezahlen,
Ist der strengste Gläubger Kosmes.
Zu der Hütte letzter Kammer
Dort hält er den Schatz des Jammers
Sich im festen Schrank verschlossen.
Eine Locke blonder Haare,
Die Gewande einer Nonne
Und dann eine schwere Rolle.
Er befestigt sie am Rande,
Und es rollet zu dem Boden
Ein Gemälde, das der Maler
Unten auf dem Meer der Schatten[1]
Schwankt, umwogt von dunklen Wolken,
Ohne Steuer, ohne Flagge,
Bleich der Kahn des halben Mondes.
Opfersäulen grauer Wolken,
Die den Regenbogen tragen,
Des Triumphes Friedenspforte.
Um des Tores Bogen ranken
Und von ihren Händen fallen
Purpurrote Morgenrosen.
Scheinet er von blankem Golde
Rosen streute für Auroren.
Aber nächtlich hat die Schlange
Um die Sichel sich gerollet.
O erscheine, Herr des Gartens,
Denn inmitten dieser Tafel
Ist noch kaum ein Strich gezogen,
Gleich des Blinden Auge starret,
Gott erharrend, hin der Bogen.
Weint vor dem Gewand der Nonne
Und der Locke goldner Haare,
Büßt vor diesem Bilde Kosme.
Wie, an heilgen Jahrestagen
Die Reliquien des Schatzes
Auftut, zu der Frommen Troste,
So auch liegt der Schatz des Jammers
Jährlich vor dem Büßer offen
Da die Mutter ihr gestorben.
Die in schwerer Schuld empfangen,
Die in schwerer Schuld gestorben,
Und es ist der Sünde Vater
Bis in tiefer Reue Flammen
Vor dem Bild und Kleid der Nonne.
Wie der Blick geschmolznen Goldes,
Hoffnung ihm entgegenlachet,
Geht bereiten er das Opfer.
Er gießt aus gebleichtem Wachse,
Eine hohe Totenfackel,
Einer Schlange gleich geformet.
Malt sie an mit bunten Farben,
Schmückt sie auch mit Punkten Goldes;
Bei der Totenmesse morgen.
Und so hat er still gemalet,
Bis zum Garten ging des Mondes
Blanke Sichel, und des Abends
Anmerkungen des Herausgebers
« Romanze I: Rosablankens Traum | Clemens Brentano Romanzen vom Rosenkranz |
Romanze III: Meliore und Apone » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|