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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Voigtshain

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: O. M.
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Titel: Voigtshain
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 95–96
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Voigtshain
bei Wurzen.


Voigtshain liegt zwei und eine halbe Stunde nordöstlich von Wurzen, rechts von der Torgauer Strasse in einer hügeligen nicht unangenehmen Gegend, westlich von den Frauwalder Holzungen am Tammenhainer Bache, welcher nahe unter Voigtshain sich mit der Lossa vereinigt. Das Dorf zählt etwa zweihundert Bewohner, besitzt sieben und eine halbe Hufe Feld und ist nach dem kaum zehn Minuten entfernten Falkenhain eingepfarrt.

Der Name des Dorfes Voigtshain beweist, dass selbiges seine Gründung den Deutschen verdankt, die nach Besiegung der hier ansässigen Sorben die Waldungen und Haine niederschlugen und an deren Stelle Plantagen anlegten. Bei dem nahen Dorfe Falkenhain – so erzählt die Tradition – soll zur Zeit des Heidenthums ein Götzenbild, des Namens Falko, gestanden haben, und zwar bezeichnen alte Leute einen Punkt im sogenannten Haine, nicht weit vom Fusswege nach Dornreichenbach, als den Ort, wo der Abgott, umgeben von dichter Waldung, verehrt wurde. Dass die zwischen der Saale und Elbe wohnenden Slaven wirklich einen Götzen Falko verehrten ist wahr, und aus jener Zeit mag wol auch die Tradition herrühren, dass unter einer Reihe, an der Wurzener Brücke zwischen Falkenhain und Zschorna gestandener, uralter Eichen in grauer Vorzeit Gottesdienst gehalten worden sei. Nur erst vor wenigen Jahren wurden die letzten dieser merkwürdigen Bäume niedergeschlagen. Die christlichen Missionäre waren klug genug das Christuskreuz fast immer an Orten aufzupflanzen die den Sorben theuer und heilig waren, und somit ist viel Wahrscheinlichkeit da, dass die Sage sich hier auf geschichtliche [96] Thatsachen gründet, der Abgott Falko dem Orte Falkenhain seine Entstehung gab und die christlichen Priester nach Zerstörung des Götzenbildes noch längere Zeit unter den für heilig erachteten Eichenbäumen die neue Lehre verkündigten, und soviel als möglich die heidnischen Gebräuche mit derselben vereinigten.

Schon in den ältesten Zeiten erscheint Voigtshain als ein Besitzthum und Kirchengut der Bischöfe von Meissen, die auf dem hiesigen Schlosse einen Voigt hielten. Daher der Name Voigtshain. Der Ort war vor Jahrhunderten weit bedeutender als jetzt und wurde in Ober- und Untervoigtshain eingetheilt, wovon Obervoigtshain dem Kloster zu Mühlberg bis 1559 zinste, in welchem Jahre der Bischof von Meissen in den Genuss dieser Zinsen trat. Noch jetzt heisst die Stätte, wo vormals Obervoigtshain stand, die Obervoigtshainer Mark, und aller Wahrscheinlichkeit zufolge wurde dieser Theil von Voigtshain im dreissigjährigen Kriege vernichtet, da er erst im siebzehnten Jahrhunderte nicht mehr genannt wird. Bischof Johann VIII. von Meissen verkaufte Voigtshain zugleich mit Falkenhain 1538 an den Ritter Christoph von Truchsess (Drückses). Dieser erste weltliche Besitzer beider Güter, denn auch Falkenhain war bischöfliches Küchengut, regulirte 1542 die Kirchen- und Schulangelegenheiten, Einkünfte und Obliegenheiten unter Zuziehung der bischöflichen Regierung zu Wurzen in der Art wie sie im Wesentlichen noch heute bestehen. Nach seinem um 1548 erfolgtem Tode gelangte zu dem Besitze beider Güter Heinrich von Truchsess, der auf eigene Kosten 1550 den auf der Abendseite des Kirchgebäudes zu Falkenhain befindlich gewesenen Hauptthurm neu aufführen und einen Schüttsöller oder Getreideboden darin anlegen liess. Sein Tod erfolgte 1556, und Georg von Koseritz wurde Eigenthümer der Güter bis 1604, in welchem Jahre sie August von Lüttichau erwarb, der 1631 starb und die Güter seinem Sohne August von Lüttichau hinterliess. Ihm folgte 1686 Georg Rudolf von Lüttichau, Heinrich Rudolfs von Lüttichau auf Falkenhain Bruder, welcher „aus sonderlicher Andacht und Liebe zur Förderung des heiligen Gottesdienstes“ zur Erhöhung des Thurmes an der Falkenhainer Kirche eine ansehnliche Geldsumme darlieh. Im Jahre 1708 gehörte Voigtshain dem schon erwähnten Rudolf Heinrich von Lüttichau, churfürstlich Sächsischem Hauptmann und Herrn auf Falkenhain, Voigtshain, Rithmitz, Döbrichau und Nauendorf, einem sehr reichen Manne, der die noch jetzt stehende Kirche zu Falkenhain von Grund aus auf eigene Kosten erbaute, und 1725 gestorben ist. Sein Nachfolger, Georg Rudolf von Lüttichau, starb 1772 und dessen Sohn Hans Georg von Lüttichau verkaufte Voigtshain an August Gottfried von Hessling, dessen legitimirter Sohn, Herr August Hessling, es noch jetzt besitzt. Falkenhain blieb der Familie von Lüttichau noch bis 1796 wo es die verwittwete Frau Kreiskommissar Adolphine Caroline Wilhelmine von Carlowitz erstand.

Vor der Reformation war in Voigtshain eine Kapelle (von der jetzt keine Spur mehr vorhanden ist), welche der Pfarrer zu Müglenz mit zu versorgen hatte, weshalb noch jetzt das Rittergut Falkenhain und einige Bauergüter zu Voigtshain an den genannten Pfarrer einige Zinsen entrichten müssen; indessen haben beide Ortschaften schon sehr zeitig eine Gemeinde gebildet, und es ist sogar möglich, dass die Voigtshainer Kapelle entweder zum Rittergute gehörte oder doch nur bei gewissen Fällen benutzt wurde. Die Kirche zu Falkenhain wurde, wie schon erwähnt, 1708 neu erbaut und vielfach dotirt, so dass sie ein beträchtliches Vermögen besitzt. Unter den verschiedenen Legaten welche der Kirche geworden, befindet sich auch ein sogenanntes Musikgeld, welches auf dem Rittergute Voigtshain als Stammzins haftet und in 25 Mfl. besteht. Dieses Geld soll nach Bestimmung, der jedesmalige lehnsherrliche Besitzer in zwei Terminen zur Hälfte dem hiesigen Schuldiener und Cantor „gegen dessen Quittanz Ostern und Michaelis immediate auszahlen.“ Die alte Nachricht über dieses Legat sagt weiter: „es ist vermuthlich in der Absicht gestiftet, dass davon nicht allein die sonntägliche Kirchenmusik durch gehörige Adjuvanten, welche ebenermaassen von diesem Quanto tertiam partem erhalten sollen, möge bestellt, sondern vielleicht auch die Jugend in vocalibus et instrumentalibus musicis von dem Schuldiener gehörig soll unterrichtet werden.“ Da die Fundationsurkunde über dieses Legat nirgends aufzufinden gewesen ist, weigerte sich in neuerer Zeit das Rittergut solches zu zahlen, so dass die Angelegenheit zu gerichtlicher Entscheidung kam. – Der erste protestantische Pfarrer zu Falkenhain war Vitus Keller, der im Jahre 1542 hierher zog. Von ihm wird berichtet, dass er ein feiner, junger, geschickter Mann gewesen und vor vielen Anderen durch Herrn Philipp Melanchthon gegen Georg Spalatin gelobet und gerühmet worden sei. Weiter erzählt man, dass er grosse Anfechtungen von bösen Geistern gehabt habe und so oft er auf den Kirchhof gekommen sei ihm ein Gespenst aufgehuckt, auf des Pfarrers andächtiges Gebet aber wären die Geister endlich gewichen.

O. M.